Die größten Dieselmotoren der Welt verrichten ihren Dienst auf Frachtschiffen. Sie sind so hoch wie ein vierstöckiges Wohnhaus und breiter als der Weitsprung-Weltrekord der Frauen. Der liegt immerhin bei 7,52 Metern. Die Abgase dieser Kraftpakete mit 100.000 und mehr PS gelten nicht zuletzt wegen der Schwefeloxide als umwelt- und gesundheitsschädlich. Das soll sich bessern.
Nur noch 0,5 Prozent Schwefelanteil
Am 1. Januar 2020 ist eine Regel in Kraft getreten, die man in der Fachwelt als IMO-2020 bezeichnet. Etwas volksnaher könnte man sie auch „Aufatmen im neuen Jahrzehnt“ nennen. Weltweit darf der Treibstoff von Schiffen nur noch maximal 0,5 Prozent Schwefel enthalten. Der bisherige Standard waren Brennstoffe mit einer Schwefelobergrenze von 3,5 Prozent. Dabei handelte es sich um sogenanntes Schweröl oder Marine-Rückstandsöl, das bei der Verarbeitung von Erdöl anfällt. Die neuen Grenzwerte versprechen eine höhere Luftqualität, was man insbesondere in Küsten- und Hafennähe begrüßt.
Favorisierter Kraftstoff: Low Sulphur Fuel Oil (LSFO)
Für die Umstellung haben Reedereien im Wesentlichen drei Optionen. Die allermeisten setzen künftig auf Low Sulphur Fuel Oil (LSFO) mit 0,5 Prozent Schwefelanteil. In Deutschland tankt jeder zehnte Reeder weiterhin das bisher meistgenutzte Schweröl. Das ist allerdings nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass die Schiffe sogenannte Scrubber zur Abgasreinigung nutzen. Zwei Prozent der deutschen Flotte werden mit Flüssiggas (LNG) betrieben.
Einige Schiffe verwenden ohnehin Diesel mit einem noch geringeren Schwefelanteil von 0,1 Prozent. Damit erfüllen sie die Vorgaben, die seit 2015 für ausgewiesene Regionen gelten. Zu diesen „Emissionskontrollgebieten“ gehören unter anderem die Nord- und Ostsee sowie die nördlichen Küsten von USA und Kanada. Für alle anderen Gebiete gilt jetzt IMO-2020 mit 0,5 Prozent.
Treibhausgase um 50 Prozent senken
Verantwortlich für die Einführung der neuen Regel ist die International Maritime Organization (IMO), eine Unterorganisation der Vereinten Nationen. Sie ist die globale Normungsbehörde der weltweiten Schifffahrt bei Fragen zur Sicherheit und zum Umweltschutz. In Sachen Ökologie sieht die IMO mit der Neuregelung zum Schwefelgehalt noch lange nicht das Ende der Rauchfahne erreicht. Für ihren Generalsekretär Kitack Lim bedeutet IMO-2020 einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer umweltverträglichen und klimafreundlichen Seefracht. Noch im Oktober bekräftigte er: „Die IMO hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen der internationalen Schifffahrt bis 2050 um mindestens 50 Prozent zu senken.“
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht im Ende des Schweröls eine „Zeitenwende in der Schifffahrt“, so Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied. „Für uns ist enorm wichtig, dass IMO-2020 eine weltweite Vorschrift ist, alle müssen sie umsetzen.“ Der wirtschaftliche Aufwand ist erheblich: Nagel spricht von einem „finanziellen Kraftakt, den jede einzelne Reederei im Blick auf die Umstellung zu leisten hatte“.
Welche Mehrkosten entstehen?
Wie sich IMO-2020 auf die Frachtraten im Binnen-, Küsten- und Seeverkehr auswirkt, bleibt abzuwarten. Hapag-Lloyd mit einer Flotte von 237 Containerschiffen hat sich Ende Oktober 2019 in einer Pressemeldung geäußert. „Die Umstellung von Schweröl auf schwefelarmen Treibstoff wird kurzfristig unweigerlich zu höheren Treibstoffpreisen führen“, sagt CEO Rolf Habben Jansen. Um die Mehrkosten abzufedern, will die Reederei einen Aufschlag für Transporte im tagesaktuellen Spot-Geschäft einführen. Langfristige Vereinbarungen (Tender Business) sollen nicht betroffen sein.
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Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.