Pandemie, Brexit, Handelskriege und Digitalisierung: Wer heute stabile Beziehungen zu seinen Kunden pflegen will, muss als Dienstleister oft neue Wege gehen. Markus Pütz, CCO bei DB Schenker für das Cluster DE/CH, ist Logistiker von der Pike auf. Mit Jahrzehnten an Erfahrung im Sales-Bereich erläutert er im Gespräch, wie sich die Beziehungen zwischen DB Schenker und den Kunden verändert haben und wie der Logistikdienstleister darauf reagiert.

logistik aktuell: Herr Pütz, was steht aktuell bei den Kunden ganz oben auf der Liste?

Markus Pütz: Die Corona-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen haben den Logistikern auf Kundenseite gezeigt, was passiert, wenn die Optimierung einer Supply Chain auf die Spitze getrieben wird. Zum Beispiel in der Automobilindustrie: Da konnten zeitweilig neue Autos nicht verkauft werden. Und zwar nicht, weil die Nachfrage fehlte, sondern ein Stecker im Wert von 50 Cent nicht bereitsteht. Andere Unternehmen haben Güter produziert, die nicht ausgeliefert werden konnten, weil Verpackungsteile fehlten! Diese Erfahrung führt dazu, dass einige Unternehmen ihre Lagerhaltungsstrategien überdenken. Andere wiederum suchen nach einem zusätzlichen Beschaffungsweg. Das Nearshoring, der regionale Einkauf wird von einigen Kunden mehr in den Fokus genommen werden. Die extreme Volatilität der Frachtraten, die auch noch eine Weile anhalten wird, tut ihr Übriges, dass Lieferketten überprüft werden.

Verändern die aktuellen Entwicklungen die Beziehung zwischen Ihnen und den Kunden?

Ich denke ja. Corona hat uns vor Augen geführt, welche Auswirkungen die extremen Formen solcher globalen Supply Chains haben können. Nun rückt die Logistik wieder in den Mittelpunkt. Seit Jahrzehnten haben sich Logistiker unter Wert verkauft. In einer zunehmenden Globalisierung haben viele Unternehmen durch eine Optimierung ihrer Lieferkette sehr gute Margen gemacht. Dieser Mehrwert, den die Logistik insbesondere in den vergangenen 20 Jahren ermöglicht hat, ist aber an der Branche selber teilweise vorübergegangen. Heute ist das anders: Durch die Pandemie und die zunehmende Volatilität am Markt wird uns der Wert von Logistik erneut vor Augen geführt. Und das finde ich gut.

Mit Blick auf die Kundenbeziehungen ist die aktuell rein virtuelle Beziehungspflege mittlerweile gewohnter geworden. Wir haben gelernt, und lernen noch, in diesem Umfeld zu arbeiten. Das müssen wir auch, denn es wird Teil unserer täglichen Arbeit bleiben. Und die virtuellen Meetings haben ja manchmal auch was ganz Angenehmes, denn wer hätte gedacht, dass wir eines Tages die Küchen oder Wohnzimmer unserer Kunden sehen würden…

Nun hat die Corona-Pandemie der Digitalisierung einen massiven Anschub gegeben. Wie wirkt sich das aus?

Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie viel stärker vernetzt man arbeiten kann – und damit meine ich nicht nur mobiles Arbeiten. Wir haben heute eine Effizienz erreicht, die um ein Vielfaches höher liegt als noch vor Jahren. Und die technische Entwicklung wird ja weiter gehen. Zuverlässige Ankunftszeiten, Statusmeldungen in Echtzeit – das alles ist schon heute möglich. Wir als Logistiker müssen das anstoßen, anbieten und realisieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Und die Entwicklung neuer technischer Lösungen wird weiterhin rasant fortschreiten.

Damit einher geht eine Neuausrichtung in der Supply Chain: Ich bin sicher, dass die Stellung des Endempfängers wichtiger werden wird. Es geht darum, dessen Bedarf zu analysieren und die Supply Chain stärker danach auszurichten. Es heißt ja immer, Customer Centricity sei so wichtig. Die tatsächliche Orientierung am Bedarf des Kunden aber ist eine Herausforderung, die nicht jeder stemmen kann. Das trennt die Spreu vom Weizen unter den Logistiker.

Inwiefern beeinflussen der Brexit oder andere wirtschaftspolitische Ereignisse, wie die Auseinandersetzungen zwischen USA und China, die Kundenbeziehungen?

Viele Unternehmen haben politische Entscheidungen wie den Brexit komplett unterschätzt. Vor allem viele der Empfänger in Großbritannien waren nicht gut darauf vorbereitet. Dazu kommt, dass Großbritannien sich für ein außerordentlich komplexes Zollverfahren entschieden hat. Aber Brexit oder die wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen zwischen den USA und China oder Russland zeigen, dass wir auf ein Zeitalter zusteuern, in dem es mehr solcher schwierigen Situationen gibt als noch vor zehn Jahren. Fachleute und Beobachter sagen, dass vor uns eine Periode der Konfrontation oder Spannungen der großen politischen Blöcke liegt. Das ist durchaus möglich und wird dann auch unser Geschäft beeinflussen.

Was bedeutet das denn für DB Schenker?

In der aktuellen Situation sind Corona und der Brexit die bestimmenden Themen. Es geht für uns vor allem darum, die Tagessituation zu managen – und dafür müssen wir sehr nah am Kunden sein. Absolute Transparenz in unserer Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Die letzten zwölf Monate haben wir sehr gut kommuniziert: Unsere Newsletter kamen gut an, bei virtuellen Sessions haben Kunden erfahren, was am Luft- oder Seefrachtmarkt los ist und welche Herausforderungen künftig auf sie zukommen. Darüber hinaus haben wir sehr deutlich gezeigt, mit welcher Qualität wir auch in schwierigen Zeiten als globales Netz arbeiten und haben bewiesen, dass wir ein Top-Player sind. Und das wird noch nachhalten. Das ist der Verdienst aller Kolleginnen und Kollegen, die sich sehr stark engagiert und Hervorragendes geleistet haben!

Ist das etwas, das DB Schenker auszeichnet?

So ein großer Logistiker wie DB Schenker hat schon eine außergewöhnliche Position am Markt: Wir können fast alles – und das richtig gut. Aber was uns wirklich auszeichnet, ist, dass es bei uns eine unglaubliche Anzahl von Top-Leuten gibt. Die Qualität unserer Services und unser Know-how und die engen Beziehungen zu unseren Kunden sind ausgezeichnet. Wir können zuversichtlich in die Zukunft schauen.

In welche Richtung geht Logistik nach der Pandemie? Wird sich an der Kundenarbeit etwas ändern?

Die Veränderungen in der Wirtschaft sind schneller, tiefgreifender und viel weniger vorhersehbar. Der klassische Vertrieb mit nur persönlichen Meetings wird so nicht mehr fortbestehen. Das bedeutet auch, dass wir mit den Kunden öfter und intensiver kommunizieren müssen. Wir brauchen einen engeren Dialog. Dafür werden wir künftig eine Mischung aus persönlichen und virtuellen Kontakten haben. Viele Fahrten oder Reisen werden wegfallen. Das kann effizienter sein – und gut für die Umwelt ist es allemal!

Sie unterrichten ehrenhalber an der DAV-Akademie in Bremen und coachen junge Menschen in Essen auf ihrem Weg in die Berufstätigkeit: Was bewegt die Studierenden heute?

Die Studentinnen und Studenten, mit denen ich zu tun habe, sind vom Horizont her „breiter“ aufgestellt, – und das ist erst mal gut. Sie sind offen für viele Themen, denken komplexer und globaler. Der Nachteil kann aber sein, dass es so ein weiter Horizont manchmal schwierig macht, sich für eine Richtung zu entscheiden. Die jungen Leute sind manchmal zu ungeduldig und ihre Erwartungen und Planungen bezüglich ihrer beruflichen Entwicklung etwas unrealistisch. Man muss sich bewusst machen, dass man viele Jahre hat, um sich zu entwickeln. Und dass es auch Durststrecken geben kann, die es durchzustehen gilt. Das ist Teil des Berufslebens und ein wichtiger Reifeprozess. Dieses Bewusstsein will ich vermitteln.

Eine letzte Frage: Was fasziniert Sie eigentlich an der Logistik?

Wer in der Logistik arbeitet, der entscheidet sich für eine der vielfältigsten Branchen, die es gibt. Wir haben sämtliche Arten von Kunden, für die wir alle erdenklichen Güter auf unterschiedlichste Art lagern, umschlagen und transportieren. Das ist faszinierend. Ich kenne wenige Berufe, wo man jeden Tag mit Menschen jeder Couleur zu tun hat. Das macht mir sehr viel Spaß. Ich liebe es, auf die Halle zu gehen, mit den Menschen dort zu reden und im Anschluss eine Stunde mit dem Kunden über seine globale Supply Chain zu sprechen.

About the Author

Axel Novak Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.