Klimawandel, Verkehrskollaps oder andere Probleme, die uns global bewegen: Professor Ulrich Walter berichtet darüber, wie die Reise ins Weltall sein Denken verändert hat und was beispielsweise Unternehmen aus der Logistikbranche von der Raumfahrt lernen können. Er war 1993 als Nutzlastspezialist mit einem Space Shuttle im All und lehrt seit 2003 Raumfahrttechnik in München.
Herr Professor Walter, Sie sind als einer von elf Deutschen im All gewesen: Wie hat Sie das verändert?
Das ist eine unglaubliche Erfahrung. Nach einem solchen Flug ist man einfach ein anderer Mensch. Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach Jahren in Ihre Heimatstadt zurück und stellen erstaunt fest, wie klein das alles doch ist. Ungefähr so fühlt es sich an, aus dem All auf die Erde zu blicken.
Kann man dieses Erlebnis anderen Menschen vermitteln?
Wenn ich darüber erzähle, sind die Leute natürlich zuerst beeindruckt. Das Problem ist nur, dass am nächsten Tag alles wieder weg ist. Wenn Sie so etwas allerdings einmal selbst erlebt haben, verändert es langfristig Ihr Denken – und das ist das Entscheidende.
Welche Erfahrung hat Sie im All besonders beeindruckt?
Am schönsten ist die Zusammenarbeit mit Menschen, die für die Mission einfach alles geben – und zwar im Wissen um die damit verbundenen Gefahren: Denn trotz HighTech in der Raumfahrt gibt es bei einem von 100 Flügen Tote. Dieses Maß an Leidenschaft in einem Team habe ich so nie wieder erlebt.
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Wir leben ja auf der Erde mit sehr konkreten Problemen, sei es der Klimawandel oder die zunehmende Urbanisierung – wie können Erfahrungen wie die Ihre im Weltall helfen, um unsere Probleme auf der Erde zu lösen?
Es geht häufig darum, Lösungen zu erarbeiten, die uns auf eine künftige Entwicklung vorbereiten. Das ist aber prinzipiell sehr schwierig, weil die meisten Zukunftsprognosen leider falsch sind. Grund dafür ist unsere lineare Denkweise: Wir übertragen Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Zukunft und glauben, dass dort ungefähr die gleichen Regeln gelten werden. Aber das ist falsch! Die Welt ist eher ein chaotisches System. Dort gelten zwar auch Regeln – aber ganz andere als die, die wir aus der Vergangenheit kennen. Nur so ist es zu erklären, dass es disruptive Innovationen immer wieder schaffen, Märkte und Branchen komplett zu verändern.
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Die Welt als chaotisches System – diese Erfahrung machen ja viele Unternehmen, die international tätig sind. Sie setzen nun oft auf digitale Lösungen. Kann die Raumfahrt helfen, abseits von technischen Themen innovativ zu denken?
Von der Raumfahrt können wir viel lernen. Zuallererst: Raumfahrt ist keine Wissenschaft, sondern Selbsterkenntnis. Und zwar Selbsterkenntnis über unseren Stellenwert im Universum. Aus der All-Perspektive wird sofort klar: Wir sind nicht der Mittelpunkt des Kosmos oder der Nabel der Welt. Im Gegenteil: Wir können ganz schnell Geschichte sein. Dafür reicht beispielsweise ein Asteroideneinschlag. Und noch etwas gibt es zu lernen: Die Zukunft ist im Prinzip nicht vorhersehbar, weil sie Zufällen unterliegt. Die Frage ist also: Wie gehen wir mit einer solchen Zukunft um? Dafür gibt es durchaus Strategien, um Lösungen jenseits des eigenen Denkhorizonts zu finden.
[selectivetweet float=“left“]Astronaut Ulrich Walter: Von der #Raumfahrt können wir viel lernen. Raumfahrt ist #Selbsterkenntnis [/selectivetweet]
Die Logistikbranche sucht nach Möglichkeiten, für ihre Kunden die effizientesten Transportmöglichkeiten zu finden. Was können denn solche Unternehmen von der Raumfahrt lernen?
Sehr viel, denn hinter ihr stehen unglaublich komplexe Prozesse mit vielen ganz unterschiedlichen Mitarbeitern. Bei der Raumfahrt geht es zum Beispiel darum, wie man mit Risiken und mit dem enormen Druck umgeht, der auf allen Beteiligten lastet. Das verlangt nach sehr präzisen Prozessen, nach einem perfekten Projektmanagement und nach der Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen. Nur dann kann eine Mission erfolgreich sein – im All und auf der Erde.
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