Nicht erst seit der Corona-Pandemie werden Forderungen laut, die Produktion zumindest teilweise zurück ins Land zu holen. Die aktuelle Pandemie hat viele Lieferketten vor große Herausforderungen gestellt. Unterbrochene Lieferketten bedeuten nicht nur, dass die Lieferung ein paar Tage später kommt – stillstehende Maschinen verursachen einen hohen wirtschaftlichen Schaden. Wäre die Verlagerung der Produktion zurück nach Deutschland die Lösung des Problems? Welche Konsequenzen hätte das für die Logistikbranche?
Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung hat die Folgen der Pandemie für die deutsche Wirtschaft analysiert. Die Forscherinnen haben dabei auch gefragt, welche Konsequenzen eine Renationalisierung der Produktion hätte. Die deutsche Wirtschaft ist zu einem großen Teil in globale Lieferketten eingebunden – 17 Prozent der deutschen Wertschöpfung finden hier statt. Die weltweite Vernetzung von Wertschöpfungsketten ist ein langer und andauernder Prozess. Eine kurzfristige Umstellung ist daher nicht möglich. Welche Produktionsschritte der Lieferkette zurück nach Deutschland verlagert werden können, hängt stark von den einzelnen Produkten ab. Folglich bedeutet das einen unterschiedlich großen Aufwand, Produktionsschritte und die dafür nötigen Anlagen in Deutschland aufzubauen.
Auswirkungen auf die Logistik
Auf längere Sicht wäre es natürlich möglich, Lieferketten und damit viele Produktions- und Verarbeitungsschritte wieder nach Deutschland zu verlegen. Eine solche Umstrukturierung hätte weitreichende Konsequenzen für viele Industrien. Doch auch die Logistik stünde vor neuen Herausforderungen.
Sicher ist: Die Transportwege wären kürzer. Statt zwischen Ländern und Kontinenten würden Teile nun zwischen Bundesländern und Städten transportiert. Der Transport würde auf den ersten Blick also deutlich nachhaltiger. Auch der Flugverkehr würde sich stark reduzieren, denn innerhalb Deutschlands wären viel weniger Frachtflieger unterwegs.
Außerdem wären bestimmte Einzelteile schneller verfügbar. Die Just-in-time-Produktion wäre damit womöglich noch pünktlicher, dringende Bedarfe könnten schnell erfüllt werden. Ist für eine Charge etwa ein spezifisches Teil notwendig, könnte dieses kurzfristig beim Zulieferer im Nachbarort bestellt werden und wäre weniger Stunden später da.
Steigerung der Produktionskosten
Auch wenn die Lieferkosten für bestimmte Produkte womöglich sinken würden – die Produktionskosten würden definitiv steigen. Zunächst müsste die Infrastruktur für die Herstellung von Zwischengütern ausgebaut werden. Wenn mehr Arbeitskräfte in anderen Teilen des Produktionsprozesses gebunden wären, ginge das auf Kosten der Spezialisierung. Und gerade diese macht häufig einen Vorteil im Wettbewerb aus. Die Studie des ifo Instituts simulierte die Auswirkungen der Corona-Krise für globalisierte und regionale Wertschöpfungsketten. Es zeigte sich: Die Renationalisierung von Lieferketten führt zu höheren Einkommensverlusten. Eine weltweite Krise wie die COVID-19-Pandemie trifft globalisierte Volkswirtschaften zwar härter als protektionistische. Die Realeinkommen sinken in Deutschland um neun Prozent, wobei die Automobilbranche und der Maschinenbau besonders stark betroffen sind. Andererseits wäre die Gesamtwirtschaft bei einer Renationalisierung auf einem deutlich niedrigeren Niveau als jetzt, sodass im Vergleich höhere Verluste bei den Realeinkommen entstehen.
Eine Umkehr der Globalisierung bringt also für die Logistik einige Vorteile. Gesamtwirtschaftlich scheint dies jedoch keine Lösung für eine globale Krise wie die aktuelle Pandemie zu sein. Durch die weltweite Vernetzung und Verflechtung der Wertschöpfungsketten entsteht ein großes Potenzial für Innovationen und gerade diese Innovationen sind nötig, um Lösungen in einer Krise zu finden.
About the Author
Julia Weise berichtet über komplizierte technische Themen, ohne dass man dafür ein Fremdwörterbuch braucht. Sie schreibt über Trends und Herausforderungen unter anderem in der Kontraktlogistik und dem Warehouse Management sowie über smarte Softwarelösungen. Die studierte Friedens- und Konfliktforscherin betreut in der Frankfurter PR-Agentur Adel & Link B2B-Kunden und Unternehmen aus der Tech-Branche.