Die Idee hat was: Auf der Plane eines Lkw befinden sich Solarzellen. Und die produzieren den Strom für den elektrischen Antrieb des Fahrzeuges. Ein Perpetuum mobile für den Straßengebrauch, ohne CO2-Emissionen und ohne Preiserhöhung an der Zapfsäule. – Schön wär’s.
Solarzellen auf Lkw-Planen
Aber so viel ist sicher: Solarzellen auf Lkw-Planen, das geht wirklich. „Die damit erzeugte elektrische Energie wird zwar nicht für den Antrieb ausreichen“, tritt Dr. Jonas Sundqvist auf die Euphorie-Druckluftbremse, „wohl aber kann der rollende Solarpark einen Beitrag für die Versorgung von Kühlaggregat oder Heizung leist[en.“
Der Gruppenleiter für Dünnschichttechnologien am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS hat Lkw-Planen als Träger von Stromerzeugern entdeckt. Liegt ja auch nahe: Sie sind den ganzen Tag draußen und bekommen jede Menge Sonne ab. An dem Forschungsprojekt beteiligt sind das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS, das Sächsische Textilforschungsinstitut sowie einige auf Textilien spezialisierte Unternehmen. Ihr gemeinsames Ziel: Die Idee von einem Solar-Kraftwerk auf zwei oder mehr Achsen voranzutreiben.
Möglich wird das durch textile, biegsame Solarzellen. „Über verschiedene Beschichtungsverfahren können wir Solarzellen auf technischen Textilien herstellen“, erläutert Dr. Lars Rebenklau vom Fraunhofer IKTS. Normalerweise bringt man die hauchdünnen Schichten einer Solarzelle – dazu gehören Grundelektrode, photovoltaisch wirksame Schicht und Deckelektrode – auf Glas oder Silizium auf. Bei den Lkw-Planen ist es ein textiler Stoff, genauer gesagt ein Glasfasergewebe. Das hat den Vorteil, dass es die bei der Beschichtung benötigten 200 Grad Celsius ohne Blessuren übersteht.
Hauchdünne Schicht auf Reibeisen befestigen
Dabei ist die Verarbeitungstemperatur nur eine von vielen technischen Herausforderungen. Die einzelnen Schichten der Solarzelle sind 1 bis 10 Mikrometer dünn, die robusten Planen hingegen ausgesprochen rau. Wie aber soll man eine extrem feine und sensible Schicht auf einem solchen Untergrund befestigen? Die Forscher greifen zu einem Trick: Sie bringen zunächst eine Einebnungsschicht aus Silicon auf das Textil und gleichen so Höhen und Tiefen aus. Auf der planierten Oberfläche des Glasfasergewebes findet die stromerzeugende Schicht ihren Halt. „Durch ihre Zusatzfunktion als kleines Solar-Kraftwerk wird die Plane kaum schwerer“, weiß Sundqvist. „Mit 10 Prozent Gewichterhöhung muss man rechnen.“ – Das sind rund 75 Gramm pro Quadratmeter oder – je nach Fahrzeug – nicht viel mehr als 6 Kilogramm.
Marktreife Solartextilien in etwa 5 Jahren
Einen Prototyp hat das Fraunhofer-Forscherteam bereits hergestellt – von der Plane, nicht von dem damit ausgestatteten Lkw. „Wir konnten zeigen, dass unsere textile Solarzelle an sich funktioniert“, sagt Rebenklau. „Ihre Effizienz liegt momentan bei 0,1 bis 0,3 Prozent.“ Die Effizienz oder der Wirkungsgrad gibt an, wie viel vom eingefangenen Sonnenlicht die Zelle in elektrische Energie umwandelt. Bei Photovoltaikanlagen auf Häusern sind das rund 20 Prozent. Da gibt es also für die Planen noch Luft nach oben. Momentan arbeitet das Fraunhofer IKTS daran, die Effizienz auf über 5 Prozent zu steigern – ab diesem Wert soll sich die textile Solarzelle rechnen. Wenn alles funktioniert wie erhofft, könnte sie in etwa 5 Jahren auf den Markt kommen.
Solarzellen auch für Festaufbauten?
Ob die Planen allerdings den ruppigen Alltag eines Lkw aushalten? Erik Wirsing, VP Global Innovations beim Logistiker DB Schenker, ist stets aufgeschlossen für technische Neuheiten. Auch bei dem Fraunhofer-Projekt zeigt er sich interessiert, aber ebenso skeptisch: „Planen werden immer dort verwendet, wo man Auflieger von der Seite oder von oben belädt. Dazu muss man sie wie einen Vorhang öffnen. Das bedeutet, dass die Solarzellen wirklich extrem flexibel sein müssen, um die ständigen Faltungen auszuhalten.“ Allerdings denkt Wirsing die Idee vom Stromerzeuger auf Rädern in eine andere Richtung weiter: „Solarzellen für Festaufbauten kann ich mir in Zukunft gut vorstellen.“
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Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.