Montagmorgen, Herbst-Schmuddelwetter, Hamburger Hafen. Ein Besprechungszimmer und ein guter Kaffee im Rosshafen-Terminal. Der Blick aus dem einen Fenster prallt gegen eine Wand aus gestapelten Containern, das andere weist in die Ferne. Wir sind zusammen mit DB Schenker bei Dettmer Container Packing (DCP). Auf dem Tisch steht ein Karton und im Raum eine Frage: Kann man diese Verpackung, die gerade mal für eine Warmhaltekanne reicht, verschiffen? Seefracht ist doch was für große Einheiten im 40-Fuß-Container. Das sind 12 Meter lange Metallbüchsen, in die 10.000 Schuhkartons passen. Und jetzt will jemand ein einzelnes Paket aufs Meer schicken. Geht das?
„Winzige Abmessungen bilden eher die Ausnahme“, erklärt Oliver Kähler, DCP-Niederlassungsleiter Hamburg. „Aber natürlich geht das. Und zwar im Export wie im Import. Das ist unser Geschäft.“ Typischerweise kommen vom einzelnen Verlader 3 bis 5 Paletten bei DCP an. Oder eine Holzkiste mit 80 Zentimeter Kantenlänge. Oder ein sperriges Ersatzteil für einen Bagger. Oder etwas anderes, dessen Maße irgendwo zwischen groß und klein liegen.
Was all diesen Frachtstücken gemein ist: Ihr Volumen reicht nicht aus für einen ausgewachsenen Container, auch nicht für seinen kleinen Bruder, die 20-Fuß-Variante. Trotzdem muss die Fracht nach Melbourne, Sao Paulo oder Shanghai. Also suchen die Verlader nach einer anderen Möglichkeit, um kleinteilige Sendungen wirtschaftlich zu befördern. Bringt man weniger als eine Containerladung auf die Reise, heißt das auf Englisch: Less Than Container Load, kurz LCL. Und damit sind wir beim logistischen Fachbegriff für dieses Seefrachtprodukt angekommen.
ÖPNV für Containerware
Das LCL-Prinzip kennt jeder Fahrgast von Bus und Straßenbahn: Man nutzt ein Transportmittel gemeinschaftlich. Wenn es sich um Menschen handelt, sagt man dazu öffentlicher Personennahverkehr. In der Logistik spricht man von Sammelverkehren: Waren unterschiedlichen Typs finden Platz im gleichen Behälter und machen sich gemeinsam auf den Weg.
Um zu erfahren, wie LCL in der Praxis funktioniert, schauen wir in die Hamburger DCP-Halle. Dorthin liefern Spediteure und Logistikdienstleister verschiedenste Seefrachtsendungen per Lkw. Aus ganz Deutschland und angrenzenden Ländern treffen die Einheiten auf der 26.000 Quadratmeter großen Umschlagsfläche nach und nach ein. Wie in einem Wartesaal versammeln sich die Mitreisenden für den Container nach Port Klang, für den nach Mumbai, den nach Barcelona, nach Seattle und so weiter. Auch nach Vancouver, Tokio und Manila geht es regelmäßig. „Unsere Kunden können wöchentlich weltweit rund 160 Häfen per LCL-Container erreichen“, sagt Henning Bunte von DB Schenker. Auf seiner Visitenkarte steht Senior Vice President LCL. Zu seinen Aufgaben gehört es, LCL-Verkehre zu entwickeln. „Wir stellen ein marktgerechtes Portfolio zusammen. So können die Kollegen vom Vertrieb genügend Aufträge an Land ziehen, damit die Container gut gefüllt in See stechen.“ – Auch das ist wie beim ÖPNV: Ein leerer Bus lohnt sich nicht.
Ein fixer Packer schafft bis zu 15 Container am Tag
In der Regel teilen sich Waren von 10 bis 30 Versendern einen Container. Etwa 72 Stunden bevor das Schiff den Hamburger Hafen verlässt, beginnen die Stauer damit, den Container zu füllen. „Die besten schaffen 15 leichte Container am Tag“, erklärt Kähler. „Aber auch 10 pro Schicht – leicht und schwer gemischt –sind ein guter Wert.“
Überhaupt ist das Stauen eine Wissenschaft für sich. Die Arbeiter müssen das Gewicht optimal verteilen: das Schwere nach unten, aber so, dass der Container beim Verladen nicht in eine Schieflage gerät. Dann die leichteren Sachen nach oben. Aber platzsparend. Und immer an die Ladungssicherung denken. Doch aufgepasst! Möglichst nah an die Tür kommt grundsätzlich alles aus dem Bereich Gefahrgut. Jeder dritte Container bekommt einen Gefahrgut-Aufkleber. Den gibt es schon, wenn nur ein einziges Packstück entsprechend deklariert ist. Das können 5.000 edle Parfum-Flacons sein, ein 100-Liter-Fass mit Lack oder 15 Behälter mit Reinigungsmitteln. Aber wie im normalen Wirtschaftsleben zählt auch bei der LCL-Logistik das meiste nicht zur Gefahrgut-Kategorie.
Fast alles ist LCL-tauglich
„So ziemlich alles, was die Industrie produziert und was man regulär verladen darf, durchläuft unsere Umschlaghalle“, sagt Emruh Polat, der Kaufmännische Leiter von DCP in Hamburg. Die meisten Container, die das Terminal verlassen, messen 40 Fuß. Ist auf einer Relation nur wenig los, nimmt DCP einen 20-Fuß-Container. Beide Formate sind reichlich vorrätig. Im Depot stehen rund 1.200 Einheiten. Die meisten sind Eigentum einer der Top-10-Reedereien wie Maersk, MSC und Evergreen oder wie der deutsche Lokalmatador Hapag Lloyd.
Mit zigtausend anderen Containern auf großer Fahrt
Und dann geht es über das Meer – nach Asien, Südamerika oder wohin auch immer. Die größten Containerschiffe schultern mittlerweile mehr als 23.000 von den kleinen Containern (20 Fuß). Allerdings lädt keines tatsächlich so viele Einheiten. Und das aus einem einfachen Grund: Schätzungen gehen davon aus, dass die Ladung der Ozeanriesen zu 80 Prozent aus den großen 40-Fuß-Einheiten besteht. Demnach würde ein volles Schiff mit einer Kapazität von 23.000 TEU (Twenty Foot Equivalent Unit) rund 10.500 große und 2.000 kleine Container aufnehmen.
Im Zielhafen angekommen, wird das Schiff gelöscht, also entladen. Die Sammelcontainer nimmt ein Hafenbetrieb in Empfang und packt sie aus. Wahrscheinlich ist auch der Karton vom Beginn unseres Berichtes dabei. Dann folgen die Zollabfertigung und der Nachlauf per Lkw bis zum Empfänger. Aber das ist eine andere Geschichte …
About the Author
Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.