Alte Meister wie junge Wilde sind bei Nicole Keusen in besten Händen. Im Interview spricht die Leiterin von DB SCHENKERart über Unikate, Klimakisten und worauf es beim Kunsttransport ankommt.

Frau Keusen, welche „großen Namen“ haben Sie schon transportiert?

Eine Menge! Wir durften schon Werke von „Alten Meistern“ wie Botticelli, Dürer oder Rembrandt transportieren. Wenn ich ans 20. Jahrhundert denke, fallen mir spontan Francis Bacon, Andy Warhol und Jackson Pollock ein. Und als bedeutender zeitgenössischer Künstler wäre da zum Beispiel Otto Heinz Mack.

Von den Namen abgesehen, was ist das Spannende an einem Kunsttransport?

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Nicole Keusen von DB Schenker
Leidenschaft für Kunst – und deren Transport: Nicole Keusen kümmert sich bei DB Schenker seit über zwei Jahrzehnten um kostbare Stücke und hat auch schon originale Oscar-Statuetten befördert. © Ludwig März

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Kaum ein Transportgut verlangt so viel Expertenwissen, technisches Können und Fingerspitzengefühl wie Kunst. Wir tragen besondere Verantwortung, denn Kunstschätze sind nicht nur millionenschwer, sondern auch einzigartig und in der Regel unwiederbringlich. Wir sind hauptsächlich in Deutschland und Europa im Einsatz, aber unsere Expertise ist auch in Ländern wie Indonesien, Iran, Jordanien oder Kambodscha gefragt. Dort haben wir schon komplette Sammlungen verpackt und per Luftfracht transportieren lassen.

Was macht Ihre Projekte so anspruchsvoll?

Jedes Kunstwerk ist auch für uns Logistiker ein Unikat in Bezug auf Form, Größe und Material. Dies und die räumlichen Bedingungen in der jeweiligen Ausstellung verlangen maßgeschneiderte Lösungen. Wir müssen jeden Kunsttransport akribisch vorbereiten. Unsere Ansprechpartner sind dabei die Sammlungs-Verantwortlichen, die sogenannten Registrare, oder auch die Restaurateure. Sie wissen über den Zustand der Exponate Bescheid und stellen für den Transport eine Art Attest aus.

Worauf reagiert Kunst besonders empfindlich?

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Erschütterung ist Gift, eine Bedrohung sind aber auch Klimaveränderungen. Wird ein Gemälde plötzlich einer zu hohen Temperatur ausgesetzt, beschleunigt das die Alterung. Zu viel Kälte kann es spröde machen und zu Craquélierung führen, also feinen Rissen. Eine zu hohe Luftfeuchtigkeit verursacht Korrosion oder Schimmelbildung, ein zu niedriger Wert fördert unter anderem die Austrocknung. Bei einer abrupten Veränderung der Feuchte von über 5 Prozent sind sogar Absprengungen von Oberflächen möglich.

Wie gehen Sie mit alldem um?

Wir betreiben enormen Aufwand beim Verpacken. Je nach Bedarf nutzen wir Transportrahmen, mit speziellen Dämmstoffen gepolsterte Kisten oder eigens entwickelte Klimakisten. In den Kisten herrschen beim Kunsttransport exakt dieselben klimatischen Bedingungen wie am Herkunftsort. Nach der Ankunft bleiben viele Exponate zunächst für mindestens 24 Stunden zum Akklimatisieren stehen, ehe die Kisten geöffnet werden.

Und wie läuft der Kunsttransport ab?

Wir nutzen modernste Kunsttransporter: klimageführt, per GPS-Ortung gesichert und mit einer speziell abgestimmten Luftfederung ausgestattet. Bei besonders sensiblen oder schweren Stücken wie Sandstein- oder Marmorskulpturen kommt in den Fahrzeugen Luftkissentechnik zum Einsatz. Sie ermöglicht uns, bis zu 100 Tonnen schwere Objekte beinahe schwebend zu bewegen. Muss ein Stück per Luftfracht transportiert werden, wird es bis ins Flugzeug begleitet und am Ziel direkt wieder in Empfang genommen.

[selectivetweet]#Kunstlogistik: Erschütterungen, Klimakisten, GPS – Nicole Keusen von DB #Schenker im Interview[/selectivetweet]

Was bekommen Ihre Kunden über den Kunsttransport hinaus?

Nur ein paar Beispiele: Wir bauen ganze Ausstellungen auf und ab, von der Planung bis hin zur Hängung der Bilder am Zielort. Wir sind also wie so viele DB Schenker-Teams über die gesamte Lieferkette hinweg für unsere Kunden da. Ist ein Transport nicht im Lauf eines Tages zu schaffen, organisieren wir vorab die gesicherte Unterbring über Nacht. Bei Transporten über Grenzen hinweg, nicht zuletzt per Luftfracht, übernehmen wir die Zollabfertigung. Und ganz wichtig: Unsere Projektsachbearbeiter ebenso wie die Kunstpacker und -fahrer sind nicht nur Profis, sie sind auch mit Leidenschaft bei der Sache.

Da liegt die Frage nahe, ob Sie selbst auch Kunstliebhaberin sind?

Ja, das bin ich. Meine Favoriten sind die Alten Meister. Aber wenn ich privat ins Museum gehe, bin ich immer auch ein klein wenig im Dienst und frage mich, wie dieses oder jenes Kunstwerk wohl dorthin transportiert wurde. Ich setze mich mit dieser Herausforderung einfach gerne auseinander.

(Quelle: logisticsNewsFeed)

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