Vor kurzem hatten wir berichtet, wie Drohnentechnik bei der Inventur unterstützen kann. logistik aktuell befragte nun Erik Wirsing, den globalen Innovationsleiter bei DB Schenker, zu den Erfahrungen aus den ersten Tests mit Inventurdrohnen und wie er die Bedeutung dieser Technologie für die Zukunft einschätzt.

logistik aktuell: Guten Tag Herr Wirsing, was versprechen Sie sich von den aktuellen Testflügen der Inventur-Multicopter in ausgewählten Lagern von DB Schenker?

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Erik Wirsing: Unser Ziel bei der automatisierten Lagerinventur durch Indoor-Drohnen liegt bei völlig autonom fliegenden Inventur-Multicoptern. Bis dahin ist es aber noch ein Weg, der uns aktuell vor allem dadurch versperrt ist, dass es noch keine für Drohnen geeignete Indoor-Navigation am Markt gibt.

Die Tests haben jedoch jetzt schon gezeigt, dass auch der derzeitige Stand der Technik zu einer deutlichen Beschleunigung der Inventur beiträgt. Hier steuert ein Drohnen-Pilot den Multicopter auf Sicht. Dies ist nicht nur effizient, sondern verbessert auch die Arbeitsbedingungen, was noch wichtiger ist. Wenn die Drohne nicht nur ein technisches Gimmick ist, sondern die Inventur wirklich beschleunigt und gleichzeitig den Arbeitsalltag der Mitarbeiter um eine interessante Tätigkeit bereichert, dann ist das jetzt schon ein Gewinn.

Was sagen denn die Mitarbeiter im Lager zu den Inventur-Multicoptern?

Mit einer Flugdrohne muss man schon umgehen können. Dazu gehört ein gewisses Talent und natürlich noch mehr Training – besonders im Indoor-Einsatz. Wir waren allerdings erstaunt, wie aufgeschlossen die Leute waren. Viele haben auch schon im privaten Bereich Erfahrung mit Freizeitdrohnen gemacht, sodass wir hier auf wirklich positives Feedback gestoßen sind. Es macht ja auch einfach mehr Spaß und ist interessanter, wenn man bei der sowieso eher unbeliebten Inventur-Tätigkeit auf solche technischen Hilfsmittel zurückgreifen kann.

Aber – wie eben gesagt – unser Ziel ist dennoch, die Inventur völlig automatisiert zu erledigen, sodass Mitarbeiter diese immer wiederkehrende Tätigkeit nicht mehr ausführen müssen, auch nicht als Drohnenpiloten. Das sollte dann idealerweise in Randzeiten geschehen, in welchen sich keine Mitarbeiter im Lager aufhalten.

Welche technischen Fragen sollten mit den Testflügen geklärt werden?

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Bei den Tests ging es uns vor allem darum, herauszufinden, welche Konstruktionseigenschaften die Multicopter aufweisen müssen, damit sie für den Indoor-Einsatz im Lager geeignet sind. Außerdem haben wir getestet, mit welcher Kameratechnik sie sinnvoll ausgestattet werden können und ob die Lager irgendwelche baulichen Anforderungen für die Einsätze erfüllen müssen. Dies gilt zum Beispiel für die Beleuchtung oder die Maße der einzelnen Regalebenen.

Die Drohnen, also die reine Flugkonstruktion, haben wir in weiten Teilen selbst mit dem 3D-Drucker erstellt, um schnell und einfach verschiedene Sensoren anbringen und testen zu können. Das 3D-Druck-Verfahren ist im Teststadium ideal dazu geeignet auch Gewichtsauswirkungen zu erproben. Jedes Gramm Gewichtsreduktion verlängert die Flugdauer der Drohne, was bei einer derzeit sehr begrenzten Flugdauer besonders wichtig ist. Außerdem konnten wir mittels 3D-Druck einfach und schnell Prototypen erstellen und real ausprobieren, wie sie beschaffen sein müssen für einen regelmäßigen Indoor-Einsatz – angefangen bei den Flugeigenschaften bis hin zu den optimalen Halterungen für die Inventurgeräte.

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Welche Inventurgeräte haben die Multicopter an Bord?

Wir haben unsere Multicopter mit einem Barcode-Scanner sowie einer normalen Foto- und Videokamera ausgestattet. Aber denkbar ist da letztlich alles, was sich an so eine kleine Flugdrohne dranschrauben lässt, um Informationen über die Lagerbestände in Erfahrung zu bringen. Beispielsweise könnte eine Infrarotkamera punktgenau Temperaturen an den Lagerplätzen messen. Das muss man in der Praxis je nach Anwendungsfall entscheiden, aber da gibt es sicher noch eine ganze Reihe sinnvoller Anwendungen – je nach Art der Lagerbestände. Die Drohne selbst ist schließlich nur das Transportmittel dafür.

Wann erwarten Sie die Marktreife der ersten selbstfliegenden Drohnen, die eine automatisierte Inventur durchführen können?

Die Frage ist so einfach nicht zu beantworten. Denn das hängt von den Entwicklungen ganz unterschiedlicher Technologien ab. Für den autonomen Indoor-Flug braucht es auf jeden Fall eine autonome Navigationsfähigkeit, weil das herkömmliche GPS nicht im Innenbereich verfügbar ist und zudem auch zu ungenau wäre. Auf dem Gebiet gibt es verschiedene Ansätze, und mehrere Hersteller streben eine Marktreife noch 2018 an. Bei den autonomen Flügen muss man dann natürlich den Arbeitsschutz berücksichtigen. Die Drohnen müssten außerhalb der Schichten fliegen, um Unfälle zu verhüten.

[selectivetweet]#DBSchenker testet #Inventur mit #Multicopter. Erik Wirsing, Head of #Innovation bei #DBSchenker, über die #Zukunft der #Automatisierung der #Inventur.[/selectivetweet]

Das ist aber nicht die einzige Technologie, die wir brauchen, denn dann fliegt ja nur die Drohne autonom und nimmt die Inventurdaten auf. Anschließend muss noch die Bildverarbeitung erfolgen. Diese beiden Technologien greifen noch nicht nahtlos ineinander. Außerdem müssen für eine ordnungsmäßige körperliche Inventur genaue Richtlinien berücksichtigt werden. Ganz ohne den geschulten menschlichen Blick und nur mit automatisierter Bildverarbeitung geht das nicht. Wir werden also trotz Automatisierung weiterhin Mitarbeiter für die Inventur brauchen. Sie prüfen dann aber nur die Bilddateien, bei denen die Algorithmen überfordert sind oder wo es um zusätzliche qualitative Kriterien geht. Dieser Inventur-Job lässt sich dann ganz bequem vom Computer aus erledigen, und niemand muss mehr selbst zwischen den Paletten herumklettern, um das Inventar zu zählen und auf Sicht zu prüfen.

Was glauben Sie, werden selbstfliegende Inventur-Drohnen in Zukunft Standard in der Lagerwirtschaft sein?

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Selbstfliegende Drohnen werden zumindest ein weiteres hilfreiches Werkzeug für die Inventur sein. Ihre größten Vorteile sind, dass sie schnell, wendig und mit geringem Initialaufwand im Lager einzurichten sind.

Bei allen technischen Lösungsmöglichkeiten plädiere ich allerdings grundsätzlich dafür, die eigentliche Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren. Letztlich ist eine Drohne nur ein Transportmittel für Inventurtechnik. Je nach Anwendungsfall könnten diesen Job auch andere Transportmittel übernehmen, sei es beispielsweise ein Indoor-Luftschiff, wegen seiner langen Flugdauer, oder auch ein am Regal sich fortbewegender Lagerroboter, in der Art eines RackRacer des Fraunhofer IML. Man muss die technischen Hilfsmittel immer anpassen auf das jeweilige Lager, die Ware und die Lagerbewirtschaftung. Inventurdrohnen werden in Zukunft aber sicher eine Rolle spielen, aufgrund ihrer spezifischen technischen Vorteile.

Wichtig ist es, sich von den technischen Möglichkeiten nicht einlullen zu lassen und immer die Augen offen zu halten nach neuen und alternativen Lösungsmöglichkeiten und sich dabei immer die Frage zu stellen, was gerade eigentlich der Job ist, der gemacht werden muss. Das muss eine Grundhaltung sein, wenn man innovativ bleiben und neue Wege beschreiten möchte.

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