Elektrisch betriebene PKW sind leise und gelten als umweltfreundlich. Doch die Angst, keinen Steckplatz zu bekommen, hält Käufer zurück. Ist die Lade-Infrastruktur in Deutschland wirklich so schlecht? Wir haben uns die Zahlen angesehen – und eine Überraschung erlebt.

Strom ist Zukunft, nicht erst seit dem „Dieselgate“. Im letzten Jahr gaben laut einer aktuellen Deloitte-Studie 35 Prozent weniger Menschen an, sich einen Diesel anschaffen zu wollen. Die Zahl der PKW aber steigt weiter an, wie das Kraftfahrtbundesamt meldet: Zu Jahresbeginn 2019 waren in Deutschland 47,1 Millionen PKW gemeldet.

Mehr PKW und weniger Dieselmotoren – müsste das nicht einen merklichen Umbruch zugunsten der E-Mobilität bedeuten? Tatsächlich wächst die Zahl der E-Autos nur langsam. Was hindert die Deutschen daran, Elektro zu kaufen?

Infrastruktur als Kaufargument

Wer sich mit dem Kauf eines E-Autos beschäftigt, achtet zunächst auf dessen Reichweite, dann auf den Preis. Auf Platz drei folgt die Lade-Infrastruktur. Laut Deloitte bemängelt rund ein Fünftel der Befragten die „fehlende Lade-Infrastruktur“ in Deutschland.

Dabei lassen sich E-Autos an der Standard-Steckdose laden, die jeder Autofahrer zuhause nutzen kann. Hinzu kommen tausende öffentliche und teilöffentliche Ladestationen bei Energieversorgern, in Parkhäusern, und vor Einkaufszentren oder Hotels.

Die Bundesnetzagentur meldet 8.735 Ladestationen in Deutschland (Stand Mai 2019). Eine Ladestation kann mehrere Ladepunkte enthalten, ähnlich wie eine Tankstelle mehrere Zapfsäulen hat. Im März 2019 gab es laut BDEW 17.400 Ladepunkte in Deutschland, davon 2.000 Schnelllader. Diese Ladepunkte mit höherer kW-Leistung sind vor allem für den Fernverkehr relevant. Das Schweizer Unternehmen schnellladen betreibt eine übersichtliche Karte über alle Schnelllade-Punkte in Deutschland – man sieht auf einen Blick die Verteilung entlang der Autobahnen.

Fünf Autos an einem Stecker

17.000 Ladestationen, davon nur 2.000 Schnelllader – das klingt wenig. Doch derzeit sind gerade einmal 83.000 reine E-Autos in Deutschland registriert. Einen öffentlichen Ladestecker teilen sich damit gerade fünf E-Autos. Selbst wenn man die 341.000 gemeldeten Hybrid-PKW mit hinzurechnet, sind es noch immer nur 24 Fahrzeuge pro Ladepunkt.

Rein statistisch ist die Lade-Infrastruktur in Deutschland damit mehr als ausreichend. Das Problem ist zum einen die Verteilung – in Dortmund kommen etwa 9.000 Einwohner auf eine Ladesäule, in Stuttgart immerhin nur 2.600 – zum anderen aber die Nutzererfahrung der neuen Technologie. Viele unterschiedliche Anbieter stellen Ladesäulen auf, die Preise und Abrechnungsmodelle variieren.

In der öffentlichen Diskussion argumentieren Verbände und Politiker für mehr und flexiblere E-Mobilität, bessere Angebote oder ein Umdenken bei Automobilherstellern. Was es jedoch wirklich braucht, ist ein gemeinsamer, zusammenhängender Ansatz für sogenannte technologische Diffusion. Das bedeutet: Eine einheitliche Nutzererfahrung, egal wo und wie man sein Auto auflädt. Gerade für elektrisch betriebene Speditionsflotten und andere kommerzielle Nutzer von E-Autos wird diese Einheitlichkeit in Verfügbarkeit, Ladeverhalten und Abrechnung in Zukunft essenziell sein.

Fazit: Struktur hineinbringen

In den letzten Jahren hat die Zahl an E-Autos langsam, aber kontinuierlich zugenommen. Die Zahl neuer Ladepunkte steigt mindestens ebenso schnell: Heute kommen fünf E-Autos auf einen Ladepunkt, das ist ein hundertmal besseres Verhältnis als bei Verbrennern. Dennoch empfinden Autofahrer die Lade-Infrastruktur als lückenhaft. Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, ist ein umfangreicheres Angebot aus einer Hand und eine bessere Kommunikation. So ist etwa die Reichweite heutiger Modelle, etwa von Volkswagen, durchaus bei 300–500 Kilometer und damit mehr als ausreichend für den täglichen Bedarf in urbanen Gegenden.

Eine zweite Möglichkeit, die parallel Wirkung zeigen würde, wäre das Aufsetzen auf bestehenden Strukturen. Bisher scheint die Platzierung von Ladesäulen zufällig und wenig geordnet. In Finnland zeigt ein anderes Modell, wie es besser geht: Dort hat sich ein Start-up vorhandene Strukturen geschnappt – nämlich Steckdosen an Parkplätzen, die für Motorheizungen im finnischen Winter vorgesehen waren – und daraus intelligente E-Tankstellen gemacht. Eine smarte Steckdose kann per App bezahlt werden und gibt unkompliziert Strom heraus. Die Lösung ist simpel, universell und einheitlich.

Am Ende zeigt sich: Es mangelt nicht an Steckdosen, sondern an einem sinnvollen Rahmen, der alles vereint, was zur E-Mobilität gehört: Fahren, Tanken, Bezahlen. Sobald sich aus dem Meer an Möglichkeiten eine gemeinsame Lösung herausbildet, wird die E-Mobilität in Deutschland Fahrt aufnehmen.

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Axel Novak Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.