Das Flugtaxi: Wunschtraum und Lernmodell. © adobe.stock.de / chesky
Das Flugtaxi: Wunschtraum und Lernmodell. © adobe.stock.de / chesky

Es klingt zu gut, um wahr zu sein: Bald schweben wir durch die Lüfte, unbeschwert von Verkehrsproblemen und Abgaswerten, elektronisch, autonom, bequem – im Flugtaxi. Diese Vision verkaufen derzeit Industrie-Riesen wie Airbus und Boeing ebenso wie hunderte von Start-ups weltweit.

Die Unternehmensberatung Hórvath zählt 400 Unternehmen, die sich dem Thema Flugtaxi verschrieben haben. Unter ihnen der chinesische Drohnenexperte Ehang sowie deutsche Jungunternehmen, allen voran Lilium aus München und Volocopter aus Bruchsal bei Karlsruhe.

Und sie alle haben Erfolge zu vermelden: In den letzten Monaten überschlagen sich Berichte über Tests, Demonstrationen und Jungfernflügen. Zuletzt erregte das 300 Mann starke Jungunternehmen Lilium Aufsehen, deren Elektro-Jet bis zu 5 Personen transportieren und 2024 in Serie gehen soll.

Was ist ein Flugtaxi?

Die vorgestellten Konzepte sind weder gelb noch cremefarben. Auch das gelbe Taxischild fehlt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass diese angeblichen Taxen in Wirklichkeit gar keine sind – denn ein Taxi holt den Kunden ab und fährt ihn zu seiner Zieladresse.

Die innovativen Fluggeräte vom City-Airbus bis zum Volocopter hingegen sind an einen Start- und Landepunkt gebunden, der entweder einem Flugplatz ähnelt oder im Mindestfall einem Helikopter-Pad gleichkommt. Die meisten Konzepte sind elektrisch betriebene Drohnen, die Menschen transportieren können und eine feste Route fliegen. Was also als Flugtaxi daherkommt, ist in Wahrheit… eine Liniendrohne.

Was spricht für das Flugtaxi?

Die Vertreter der „Flugtaxen“ nennen zwei Hauptargumente, um die neuen Flugobjekte anzupreisen: Sie sollen die verstopften Straßen der Metropolen entlasten und uns ein Gefühl der Freiheit vermitteln – eine wahrhaft erhebende Mobilität.

Betrachten wir zuerst die vermeintliche Verkehrsentlastung. München hat die meisten Taxen pro Einwohner in Deutschland: 3.400 Stück (Stand 2019). Wie viele dieser Taxen werden durch Linien-Drohnen ersetzt oder ergänzt? Roland Berger schätzt, dass bis 2030 ein Markt von etwa 100 „Passagierdrohnen“ in München entstehen wird.

In weiteren 20 Jahren könnte die Nachfrage auf 800 Drohnen steigen. Die meisten Konzepte befördern zudem ein bis zwei Passagiere, nur wenige planen wie Lilium vier bis fünf Sitze ein. Das Argument der Verkehrsentlastung dürfte damit schwer haltbar sein.

Das Gefühl von Freiheit

Das zweite wichtige Verkaufsargument der Liniendrohnen ist sicherlich die Freiheit: Endlich dem Stau entkommen und darüber hinweg schweben. Die Idee hält jedoch nur solange, bis die ersten Unternehmen in Serienproduktion gehen – der einzige Weg, um profitabel zu werden.

Dann fliegen plötzlich dutzende oder hunderte Passagierdrohnen über die Stadt. In Deutschland werden Flugsicherheitsverantwortliche zudem diesen Luftraum eng regulieren. Vom Gefühl der Freiheit bleibt am Ende maximal der schöne Ausblick.

Fazit: Ein erfolgreicher Vorreiter

Linien-Drohnen werden weder die Freiheit noch die Verkehrsentlastung bringen, die sie versprechen. Doch sie bringen etwas anderes: Innovation. Gerade in der Flugbranche herrscht Vorsicht und wenig Wille, neue Wege zu gehen. Erfinder und Unternehmer mit Vision treten jetzt in Gestalt von Start-ups auf das Spielfeld – und sammeln Geld von finanzstarken Investoren wie Tencent, Daimler, Bosch und Venture-Capital-Größen wie Frank Thelen ein. Das macht Mut und sorgt für den Glauben daran, dass auch in hochregulierten Branchen Innovation möglich ist.

Auch das Auto war zu Beginn nichts anderes als eine seltsame Idee. Teile von Kutschen und Fahrrädern mit explodierenden Kästen unter dem Sitz – wie sollten die jemals das Pferd ersetzen? Es fehlte an Infrastruktur, Regularien, Einsatzszenarien. Und dennoch gelang es, die allgemeine Idee von Personenverkehr auf den Kopf zu stellen. Vielleicht stehen wir am Beginn einer neuen Ära des Personennahverkehrs – es ist wohl Zeit, in die Luft zu gehen.

About the Author

Axel Novak Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.