Filigran und majestätisch zugleich überspannt sie eine eindrucksvolle Schlucht des Flusses Tarn in Frankreich. Fachleute genauso wie jährlich Hundertausende Besucher überschlagen sich in ihrer Begeisterung für dieses Meisterwerk der Brückenbaukunst. Denn das im Dezember 2004 eröffnete Viadukt von Millau ist nicht nur ein enorm wichtiges Infrastrukturprojekt, sondern zugleich ein Architektur-Monument von nationalem und internationalem Rang.

Höher als der Eifelturm

Zwei objektive Superlative sind diesem Brückenbau sicher: Das Viadukt von Millau ist sowohl die längste Schrägseilbrücke der Welt als auch das höchstes Bauwerk Frankreichs. Zwei hochkarätige Persönlichkeiten stehen hinter diesem großen Wurf: Entworfen wurde das Viadukt vom französischen Brückenbauingenieur Michel Virlogeux. Der britische Stararchitekt Norman Foster hat es gestalterisch ausgearbeitet. Mit ihrem gemeinsamen Entwurf hatten sie im Sommer 1996 einen international ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen.

2.460 Meter misst die Brücke in der Länge. Sieben Stahlbetonpfeiler – der höchste mit 245 Metern – tragen den Überbau mit der Fahrbahn sowie die Stahlpylone für die Schrägseilkonstruktionen. Diese Pylone ragen nochmals 90 Meter über die Straßenebene. Das ergibt eine maximale Höhe von 343 Metern. Damit ist das Viadukt von Millau 19 Meter höher als der Eiffelturm, dem bis dato höchsten Bauwerk des Landes.

Ästhetik und Ökonomie auf höchstem Niveau

Den Planern und Architekten ging es dabei um zweierlei: Die Brücke sollte sich, explizit modern und von beeindruckenden Dimensionen, doch möglichst organisch in das Landschaftsbild einfügen. Gleichzeitig solle eine möglichst ökonomische Konstruktion erreicht werden. Dies gelang unter anderem durch die Konzeption der Stützen: Jede Stütze wird unterhalb der Fahrbahn in zwei dünnere, flexiblere Stützen geteilt. Das sparte große Mengen an Stahlbeton.

Eine besondere Herausforderung stellte die exponierte Lage der Brücke in der Hauptwindrichtung dar. Die Geometrie des Brückenüberbaus wurde in Windkanalversuchen aufwändig aerodynamisch optimiert. So konnte letztlich erreicht werden, dass die Konstruktion für Windlasten bis zu einer Geschwindigkeit von 205 km/h ausgelegt ist.

Nutzung und Finanzierung

Das Viadukt von Millau ist Teil der französischen Autobahn A75. Neben der A7 („Rhone-Autobahn“) ist sie die schnellste Nord-Süd-Verbindung des Landes. Für den Güterverkehr – insbesondere in den Ferienzeiten, aber auch für den Personenverkehr – sind diese Routen von besonderer Wichtigkeit. Bis zur Fertigstellung mussten die Nutzer der A75 das tiefeingeschnittene Tal der Tarn über eine Landstraße durchqueren. Chaotische Straßenverhältnisse und lange Wartezeiten waren das Ergebnis. Die Brücke sorgt heute für schnellere Reisezeiten und entlastet zugleich das Flusstal und seine Anwohner ganz erheblich. Doch es gab auch Kritik an diesem großen Infrastrukturprojekt. Vor allem Umweltschützer erhoben Protest.

Dessen ungeachtet wurde das Viadukt von Millau am 14. Dezember 2004, nach nur drei Jahren Bauzeit, vom damaligen französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac eingeweiht und zwei Tage später für den Verkehr freigegeben. Zehn Jahre danach, im Jahr 2014, war es bereits von mehr als 40 Millionen Fahrzeugen genutzt worden. Heute rollen pro Tag im Durchschnitt 12.000 Fahrzeuge über die Brücke.

Die Kosten in Höhe von insgesamt rund 400 Millionen Euro muten im Vergleich zu aktuellen Bauprojekten moderat an. Finanziert wurden sie von der eigens gegründeten Firma „Compagnie Eiffage du Viaduc de Millau“. Diese erhält im Gegenzug bis zum Jahr 2079 die Mauteinnahmen für die Brückenüberfahrt und ist bis dahin aber auch für den Unterhalt zuständig. Danach wird das Viadukt in den Besitz des französischen Staates übergehen.

Ausflugstipp: Die Brücke als Sehenswürdigkeit

Noch einmal 5,8 Millionen Euro kostete der am nördlichen Ende der Brücke gelegene Rastplatz Brocuéjouls. Für dessen Anlage wurde ein ehemaliger Bauernhof saniert, erweitert und mit Parkplätzen ausgestattet. 2016 wurde die Anlage um das Brücken-Informationszentrum ergänzt. Heute lockt dieser Rastplatz nicht nur Reisende, sondern auch große Touristenmengen an. Ein nahegelegener Aussichtspunkt bietet nämlich einen fantastischen Panoramablick auf das Viadukt.

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Frieder Schwitzgebel Dr. Frieder Schwitzgebel studierte Philosophie und Physik an den Universitäten Mainz und Dijon und arbeitet seit 1996 als Unternehmensjournalist. Er ist Dozent für Wirtschaftsphilosophie an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Wiesbaden. Seine Schwerpunkte sind Neue Technologien, Kontraktlogistik und die Plattformökonomie.