Berlin wächst und wächst, immer mehr Menschen ziehen in die Stadt. Für Logistiker ist das nur begrenzt ein Traum. Die letzte Meile – der Weg zum Kunden – wird immer schwieriger und teurer zu bewältigen. Nun könnte die Straßenbahn helfen, Kunden in der Innenstadt nachhaltig und abseits der dicht befahrenen und verstopften Straßen zu beliefern. Das sieht zumindest das „City Hub-Konzept“ der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vor. Den möglichen Einsatz der Straßenbahnen bespricht die Verwaltung derzeit mit Logistikunternehmen und den Berliner Verkehrsbetrieben.
Sinnvoller Einsatz in der Stadt
„Die Güterstraßenbahn ist ja ein althergebrachtes Konzept“, sagt ein Sprecher des Verkehrssenats. „Es ist naheliegend, die Schiene sinnvoll in ein Konzept für urbane Logistik einzubinden. Wir in Berlin können es uns nicht erlauben, Teile der Infrastruktur auszuschließen.“
Der Vorteil der Schiene: U-Bahn, S-Bahn oder Tram sind leistungsfähige Verkehrsträger, um Waren aus Umschlagzentren und Hubs in der Vorstadt in die Innenstadt zu bringen. „Der Transport von Kleincontainern ist ja relativ einfach. Nun müssen wir überlegen, wo man die Straßenbahn be- und entladen kann und wie die Fracht sinnvoll weiterverteilt wird“, so der Sprecher.
Historische Vorbilder
Vorbilder gibt es dazu schon einige. In Berlin wurden zwischen 1917 und 1935 Postpakete mit der Straßenbahn befördert. In den 20er bis 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts übernahmen Straßenbahnen in Hannover, Stuttgart, Wuppertal und Dresden den Transport von vielen tausend Tonnen Kohle, Lebensmitteln oder anderen Gütern. Als jedoch der Lastwagen seinen Siegeszug antrat, wurde der teure und oft aufwändige Umschlag mit der Bahn eingestellt.
Heute findet weiterhin Güterverkehr in vielen Straßenbahnnetzen statt. Allerdings meist nur betriebsintern, um Streusalz, Bremssand, Schotter und anderen Materialien für den Gleisbau zu transportieren.
Spektakulärer jedoch war der Einsatz einer Güterstraßenbahn in Dresden. Dort fuhr die CarGoTram 15 Jahre lang durch die Stadt. Sie pendelte zwischen dem Logistikzentrum am Güterbahnhof Friedrichstadt und der Autofabrik von Volkswagen. Heute bringt sie nach einer mehrjährigen Pause wieder Zulieferteile für die Montage des e-Golf.
Bei der Straßenbahn Zürich dient seit 2003 eine so genannte Cargotram dazu, Sperrmüll im Stadtgebiet aufzunehmen. Amsterdam nahm sich die beiden Konzepte für eine eigene Güterstraßenbahn zum Vorbild. Die aber konnte nicht realisiert werden, weil der Betreiber insolvent ging.
Hoher Abstimmungsbedarf
Nun will Berlin die Idee wieder beleben. „Wir wollen mit dem Konzept die alten Zöpfe abschneiden“, heißt es aus dem Senat. Denkbar wären die Beladung in den östlichen Stadtteilen und die Entladung an Betriebsbahnhöfen in Mitte und Prenzlauer Berg. In den Bezirken wohnen sehr viele Menschen mit einem entsprechenden Bedarf an Gütern und Waren. Zudem ist der Bezirk gut ans Schienennetz angeschlossen. Die Infrastruktur ist also vorhanden.
Doch wann die ersten Gütertrams rollen und die ersten Container befördert werden könnten, ist offen. Der Abstimmungsaufwand ist hoch. Logistiker in Berlin halten sich noch zurück. Und der Straßenbahnbetreiber fürchtet Anwohnerklagen, wenn nachts mitten in der Stadt Container umgeladen werden. Die letzte Meile gilt zu Recht als kompliziert.
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Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.