Was man bisher nur aus Geschichten über Geisterschiffe kannte, könnte bald Realität auf unseren Flüssen werden: autonome Schiffe, die ganz ohne menschlichen Kapitän auf der Brücke Personen und Waren befördern. Viele in der Industrie gehen noch einen Schritt weiter und träumen von Ozeanschiffen ohne Besatzung.
Dass wir bald die ersten autonomen Autos erleben werden, ist mittlerweile Allgemeingut. Weniger im Fokus der Debatte stehen hingegen Schiffe. Dabei ist es doch ziemlich naheliegend, auch ihnen Intelligenz und Autonomie zu verpassen – schließlich sind sie recht langsam unterwegs und müssen nicht ständig nach spielenden Kindern am Straßenrand Ausschau halten. Das sieht wohl auch das Verkehrsministerium so und rechnet damit, dass der Grad der Automatisierung im Seeverkehr weiter zunehmen wird (woran unter anderem auch Norwegen intensiv arbeitet). Geplant ist, in Zukunft hierzulande Gebiete auszuweisen, in denen intelligente Schiffe getestet werden können.
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In seiner Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion schreibt das Verkehrsministerium, dass „Stadtgebiete mit einem verzweigten Wasserstraßennetz wie zum Beispiel Berlin, der Bereich der Unterelbe und großflächige Häfen“ besonders geeignet für autonome Schiffe seien. Wann sie auf deutschen Gewässern unterwegs sein werden, ist derzeit allerdings noch offen. Einschlägige Untersuchungen laufen bereits, etwa im Rahmen des Maritimen Forschungsprogramms. Dort wird in einzelnen Projekten das Potenzial der autonomen Schifffahrt untersucht. Ein Beispiel ist „FernSAMS“: Das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen testet zusammen mit dem Maschinenbauer Voith und fünf anderen Partnern den „Einsatz ferngesteuerter Schlepper bei An- und Ablegemanövern großer Schiffe“.
20 Prozent geringere Kosten
Die Industrie hat ehrgeizige Pläne, Optimisten rechnen bereits 2025 mit einem ferngesteuerten Schiff auf offener See. Die nötigen Technologien gibt es bereits: Die Sensoren sind ausgereift und kommerziell verfügbar. Auch die Algorithmen für den „virtuellen Kapitän“ werden bald zur Verfügung stehen. Die Hoffnung der Reeder: Autonome Schiffe sollen sicherer, effizienter sowie billiger zu bauen und zu betreiben sein. Bis zu 20 Prozent geringere Kosten im Vergleich zu konventionellen Schiffen sind im Gespräch.
Einen Vorgeschmack auf die Zukunft gaben Rolls Royce und der Schleppschiff-Betreiber Svitzer im vergangenen Jahr: In Kopenhagen zeigten sie das erste ferngesteuerte kommerzielle Schiff, den 28 Meter langen Schlepper „Svitzer Hermod“. Der Kapitän steuerte das Gefährt vom Svitzer-Hauptquartier im Hafen aus. Fast drei Dutzend Monitore zeigen ihm unter anderem, was sich auf dem Wasser gerade tut, wie gut die Schiffsysteme arbeiten und was die Radar- und Lidar-Sensoren des Schleppers erfasst haben.
[selectivetweet]Geringere Kosten und mehr Effizienz: Das versprechen autonome Schiffe. Weltweit laufen Projekte. Deutschland will ebenfalls Testgebiete ausweisen.[/selectivetweet]
Es gibt aber nicht nur Enthusiasten beim Thema „autonome Schiffe“. Kritiker rechnen mit neuen Kosten für die autonomen Schiffe: Wer soll beispielsweise einen Schaden an Bord reparieren? Braucht man für diesen Fall ein zweites Antriebssystem, das viel Geld kosten würde? Solche Fragen sind derzeit noch offen. Aber vielleicht werden die Matrosen aus Fleisch und Blut künftig von Robotern ersetzt, die bei Problemen anpacken. Auch sie werden ja nie müde und stellen nur minimale Anforderungen an ihre Unterbringung auf dem Schiff.
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