Hochbetrieb im Nürnberger Hub von DB Schenker. Gut 100 der 139 Ladetore rund um die riesige Halle sind belegt. Etwa 40 mit Paletten beladene Elektrofahrzeuge haben mächtig Tempo drauf. Auf einem Großteil der Fläche stehen Waren, dazwischen die Verkehrswege der Flurförderzeuge. Der unbedarfte Besucher kommt sich vor wie auf dem Plateau eines Autoscooters, wuselnde Stapler und Ameisen um ihn herum. „Voller Einsatz ist Pflicht“, sagt Julian Heinrich, Leiter Regional-Hub Süd/Plattform. Hier geht es um Geschwindigkeit und darum, dass in wenigen Stunden jede Sendung auf dem richtigen Lkw ihren Platz findet. Aber bitte unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften.
Was ist hier eigentlich los?
In Nürnberg unterhält der Logistikdienstleister DB Schenker die am stärksten frequentierte Anlage seines europäischen Netzwerkes. Rund 2.600 Tonnen schleusen die Akteure im 3-Schicht-Betrieb durch die Halle. Täglich. Hier geht es um Stückgut. Das Prinzip hat Firmengründer Gottfried Schenker 1872 erfunden. Damit legte er den Grundstein für einen heute weltweit führenden Logistikdienstleister und verdiente sich einen Platz in der Logistics Hall of Fame.
Das Stückgut-Prinzip
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Schenkers Idee: Wenn der Spediteur von einem Kunden („Verlader“) nicht genügend Ware für einen vollen Lkw (oder damals Bahnwaggon) zusammenbekommt, dann sammelt er die Sendungen mehrerer Kunden. Und zwar so viel, bis es sich lohnt, die gewünschte Strecke zu fahren. Deshalb spricht man auch von Sammelverkehren und neuerdings von Collection Delivery. Vor 140 Jahren hat dieses System auf nur wenigen Routen geklappt („Relationen“). Aber je mehr Ware unterwegs ist, desto mehr Ziele kann man integrieren.
Der Lkw als Paletten-Briefkasten
Zurück in Nürnberg. Hier passiert Tag für Tag das Gleiche wie in 41 weiteren DB Schenker-Geschäftsstellen: Ab den frühen Morgenstunden holen die Fahrzeuge des Nahverkehrs im Umkreis von rund 75 Kilometern alles ab, was die Kunden verschicken wollen. Jenseits dieser 75-Kilometer-Linie beginnt das Revier der nächsten DB Schenker-Geschäftsstelle. Die Ziele der Waren liegen irgendwo in Bayern, Deutschland oder Europa. Paletten voll mit Gütern aller Art. Mal sind es 100 Kilogramm, mal das 5-Fache. Manchmal nur einzelne Pakete irgendwo um die 30 Kilo. Aus Kundensicht funktioniert so ein Lkw wie ein gigantischer Briefkasten: Der Abholer wird schon wissen, wie es weitergeht. Weiß er auch wirklich.
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Große Büchsen auf dünnen Beinen
Zunächst kommt alles zur Umschlaghalle in der Bremer Straße. Der Nahverkehr hat bis 16.30 Uhr seine Touren beendet, die Lkw sind entladen. Das Besondere an Nürnberg: Es fungiert als regionales Hub. Geschäftsstellen im Süden Deutschlands, die nicht genug Ladung für die nördlichen Städte haben, bringen ihre Ware in die Frankenmetropole. Insgesamt sammeln sich im Laufe des Nachmittags rund 650 Tonnen auf der 8.000 Quadratmeter großen Hallenfläche. Ein Fußballfeld nach FIFA-Standard misst 7.140 Quadratmeter. Aber an Fußball denkt hier keiner, obwohl der heimische Verein – „der Club“ – jüngst wieder in die erste Liga aufgestiegen ist. Längst läuft die Verteilung auf Fernfahrzeuge. Genauer gesagt auf Wechselbrücken. Das sind containerartige Büchsen auf dünnen Beinen. Sie sehen aus wie eine Lkw-Ladefläche, denen die Zugmaschine abhandengekommen ist. An den Ladetoren in Nürnberg docken die Brücken an. Jede hat ihr eigenes Ziel: An Tor 65 steht die für Dresden, an Tor 62 geht es nach Frankfurt und an 75 nach Lindau. Bis 0.30 Uhr sind alle unterwegs und kommen spätestens um 6 Uhr an: in München, Saarbrücken, Hamburg, Berlin und etlichen anderen Städten. Ganz Deutschland ist vernetzt.
In den Umschlaghallen werden am frühen Morgen die frisch eingetroffenen Ladungen für die berühmte letzte Meile auf die Nahverkehrsfahrzeuge verteilt. Die schwärmen aus zu den Empfängern. Die Fahrer stellen die Ware zu und nehmen neue für die nächste Versendung gleich mit. Der Kreis schließt sich.
[selectivetweet]Ein Blick in das Nürnberger #Hub von DB #Schenker. Täglich werden hier rund 2.600 Tonnen #Stückgut umgeschlagen.[/selectivetweet]
Hub and Spoke
Das System nennt man „Hub and Spoke“. Nabe und Speiche. In der Nabe (Hub) läuft alles zusammen, die Speichen (Spoke) spreizen in sämtliche Himmelsrichtungen ab. DB Schenker spricht von Hub-Verkehren, solange sich die Transporte innerhalb Deutschlands bewegen. Das gleiche Prinzip realisiert der Logistikdienstleister auch international. Zum Beispiel in Nürnberg.
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„Wenn die Deutschlandverkehre das Hub verlassen haben, wechseln wir in den Europa-Modus“, erklärt Julian Heinrich. Das Produktionsprinzip des Logistikers bleibt gleich. Aber er spricht jetzt nicht mehr vom Hub, sondern von einer Plattform. Hub ist Deutschland, Plattform ist Europa. Wieder docken Wechselbrücken an – mit Ladungen aus 39 Städten in 21 europäischen Ländern. Die sind im Laufe des Tages eingetroffen. Im Durchschnitt 400 Tonnen Sammelgut aus Spanien, Italien, Bulgarien, Polen, Schweden, Finnland, Belgien und anderen Gegenden. Wieder heißt es ausladen und nach Zielen sortiert auf Lkw umschlagen. Bis nachts um 0.30 Uhr hat die Ware das Lager verlassen. Dann sind mehr als 60 Fahrzeuge für grenzüberschreitende Aufträge auf Tour und fahren nach Stockholm, Prag, Paris, Mailand und so weiter. Gleichzeitig treffen die nächsten Lkw bei DB Schenker in Nürnberg ein. Dann wiederholt sich das Prozedere. Morgen und übermorgen auch.
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