Seit Juni 2017 leitet Claus Freydag den Bereich Ocean Freight bei der Schenker Deutschland AG. Im Interview erläutert er, wie DB Schenker auf Digitalisierung und Kapazitätsengpässe reagiert und Kunden durch Beratung hilft.

logistik aktuell: Herr Freydag, das disruptive Potenzial der Digitalisierung ist schon längst in der Seefracht angekommen. Startups, Plattformen und IT-gestützte Geschäftsmodelle wirbeln den Markt durcheinander. Warum benötigt ein Verlader eigentlich noch einen Logistikdienstleister?

Claus Freydag: Ich glaube, die Komplexität der Logistikprozesse und der globalen Warenströme mit ihren vielen Playern sind rein durch internetgetriebene Lösungsansätze und Algorithmen nicht vollumfänglich darzustellen. Deshalb wird ein Logistikdienstleister wichtig bleiben. Wir stellen ein globales Netzwerk und die Mitarbeiter zur Verfügung, die bei Schwierigkeiten und Problemen eingreifen. Die Digitalisierung ist aber das wichtige Thema – es passiert so viel. Autonome Schifffahrt ist zum Beispiel ein spannendes Thema. Oder die Blockchain: Das Verfahren könnte helfen, juristische und vertragliche Informationen unheimlich schnell auszutauschen und zu verarbeiten. Die Digitalisierung stellt uns als Dienstleister unter großen Druck. Ich sehe das aber positiv, weil mehr Transparenz am Markt ist. Damit müssen wir umgehen und schauen, wie wir die Transparenz zu unserem Vorteil nutzen können.

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Der Hafen Hamburg testet den Mobilfunkstandard 5G, der als Grundlage für die neuen digitalen Tools der Zukunft dient. In naher Zukunft könnten sich die Container bei Ankunft des Schiffs im Hafen selbständig beim Kunden melden und ihren eigenen Weitertransport organisieren. Was halten Sie von solch einer Vorstellung?

Diese Vision ist sicher realistisch. Die Frage ist nur, wie schnell das umgesetzt werden kann. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass die vielen unterschiedlichen Akteure einer Supply Chain sich an dem dafür erforderlichen Datenaustausch so beteiligen, wie es notwendig wäre. Aber die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben uns ja bewiesen, dass es manchmal schneller geht als gedacht.

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Was sind denn die derzeit größten Probleme in der Seefracht – und wie reagiert DB Schenker darauf?

Das große Problem derzeit sind Kapazitätsengpässe. Zum einen beim Schiffsraum: Heute wird es vor allem in den Peak Seasons auf den Schiffen eng. Daneben aber sind die Kapazitäten häufig in den Inlandsterminals beschränkt, zum Beispiel bei der Abholung durch Lkws: In Deutschland fehlen aktuell viele tausend Fahrer. Wir reagieren auf diese Engpässe unterschiedlich. Was den Frachtraum und die Raten betrifft, setzen wir bei unserer Carrier-Politik auf mehrere zuverlässige Reederei-Partner, um so unabhängig wie möglich zu bleiben. Auf diese Weise können wir neutral und erfolgreich agieren.
Die Kunden können die Abhängigkeit von den Reedern und festen Abfahrten reduzieren, indem sie besser planen und zuverlässiger buchen. Das gilt für kleine wie große Kunden gleichermaßen und hilft uns, bei Reedereien einen entsprechenden Stellenwert zu erreichen.

Wie reagieren denn die Kunden?

Wir informieren unsere Kunden über solche Marktgegebenheiten und erarbeiten dann gemeinsam Lösungen. Zum Beispiel kam es 2017 bei den Verzollungen im Hamburger Hafen zu erheblichen Verzögerungen, da bot sich in manchen Fällen Wilhelmshaven als Ausweichhafen an. Bei Kapazitätsengpässen durch Fahrer diskutieren wir mit den Kunden über alternative Anlieferzeiten. Es gibt für viele Fragen die richtigen Antworten, aber alleine schaffen wir das nicht. Viele Kunden sind heute zu mehr Planung bereit. Wir begleiten und überzeugen sie, dass ein ganzheitlicher Blick auf die gesamte Lieferkette nur Vorteile bietet. Kunden, die eher preisgetrieben agieren, verlieren leider oft das große Ganze aus dem Blick – und damit die Potentiale, die in der Logistik schlummern.

Sie agieren also als Berater?

Ja, das hat viel mit Kommunikation zu tun und auch mit der Bereitschaft der Kunden, Schwachstellen zu erkennen und zu reduzieren. Uns kommt entgegen, dass wir sehr langfristige Kundenbeziehungen haben. Viele kleine und mittlere Unternehmen, aber auch Großkonzerne aus allen Branchen schätzen uns als zuverlässigen und leistungsfähigen Dienstleister und danken dies mit Loyalität.

[selectivetweet float=“left“]Ocean Freight macht Spaß: #Schenker Deutschland AG Seefracht-Chef Claus Freydag im Interview zur #Digitalisierung und zu Kapazitäten beim Frachtraum.[/selectivetweet]

Sie sind seit mehr als einem  Jahr bei DB Schenker. Warum sind Sie zu diesem Logistiker gewechselt?

Ich bin zu DB Schenker gekommen, weil ich wahrgenommen habe, dass das Unternehmen einen spannenden Wandel vollzogen hat. Im Top-Management hat ein Generationenwechsel stattgefunden. Das Unternehmen strotzt vor Ideen und positiven Ansätzen, wenn es um die Neuausrichtung geht. Gerade bei der Digitalisierung finden sich viele spannende Entwicklungen. Diese Dynamik des Unternehmens und die Zukunftsausrichtung haben mich gereizt.

Und Ihre eigene Affinität zur Seefahrt?

Ich bin ein echter Hamburger Jung’. Zum Hafen hatte ich immer einen Bezug. Als Kind war ich mit meinen Eltern und Großeltern oft an der Elbe. Die Atmosphäre und die Schiffe, das hat mich alles sehr fasziniert. Und das war letzten Endes der Treiber für meine Speditionsausbildung.

Danke für das Gespräch!

Sehr gern.

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