Platooning und Autonomes Fahren zählen zu den Trendthemen beim Forum Automobillogistik 2017. Die beiden Technologien haben das Potenzial, den Landverkehr mittel- bis langfristig zu revolutionieren. Auch bei DB Schenker steht Landverkehr 4.0 auf der Agenda. Gemeinsam mit Partnern aus der Automobilbranche und der Wissenschaft plant das Unternehmen für die nächsten Jahre ausführliche Praxistests, die für neue Erkenntnisse sorgen sollen.
logistik aktuell sprach mit Dr. Ane-Kristin Reif-Mosel, Projektmanagerin im Bereich Strategy & Corporate Development bei DB Schenker. Im Interview erklärte sie, wo die Potenziale und Auswirkungen der beiden Technologien liegen und wie sich DB Schenker darauf vorbereitet.
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logistik aktuell: Ob in der Logistik oder bei Lkw-Herstellern – Platooning & Autonomes Fahren sind Trendthemen. Gemeinsam mit MAN plant DB Schenker für das kommende Jahr einen Platooning-Praxistest zwischen den Geschäftsstellen Nürnberg und München. Was ist das besondere bei dem Projekt?
Dr. Ane-Kristin Reif-Mosel: Zwar gab es schon vereinzelte Tests – beispielsweise die Sternfahrt nach Rotterdam – doch wir sind die Ersten weltweit, die Platooning in einem Pilotprojekt unter Praxisbedingungen und im Realbetrieb testen werden, also mit realer Ladung und regelmäßiger Frequenz. Dabei betreten wir Neuland. Los geht es Anfang 2018. Im Vorfeld, wahrscheinlich Ende 2017, werden wir bereits einige vorbereitende Testfahrten durchführen.
Die Sternfahrt hat öffentlich demonstriert, dass Platooning grundsätzlich funktioniert. Was sind die Ziele dieses Pilotprojekts von MAN und DB Schenker?
Für uns geht es unter anderem um folgende Themen: Wie beeinflussen Platoons die operativen Abläufe? Kann die erwartete Einsparung von Kraftstoff tatsächlich realisiert werden? Was ändert sich für die Fahrer? Auf diese Fragen erwarten wir uns Antworten, die später dabei helfen sollen, die Technologie nutzenstiftend in größerem Umfang auf die Straße zu bringen.
Welche Herausforderungen müssen, Ihrer Meinung nach, bis dahin gemeistert werden?
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Platooning ist technisch anspruchsvoll. Gleichzeitig gibt es Herausforderungen und Fragen, die sich bereits in der Vorbereitung auf den praktischen Einsatz stellen werden, die gleichwohl Implikationen für die Technikentwicklung als auch die Praktikabilität haben. Dürfen Lkws mit gleicher Kraft im Platoon unterschiedlich beladen sein? Welche Straßen- und Wetterbedingungen müssen gegeben sein, um sicher im Platoon fahren zu können?
Interessant ist auch die Frage, welcher Anteil der Strecke de facto im Platoon ohne Unterbrechung gefahren werden kann. Wenn Pkw dazwischenfahren, muss die Kolonne zum Beispiel aufgelöst werden.
Außerdem sind die Fahrzeuge bisher noch nicht serienreif. Für die Straßenzulassung müssen neutrale Prüfstellen die Lkw abnehmen, z.B. vom TÜV oder der Dekra. Auch deshalb sind für MAN die Vorbereitungen und der gemeinsame Test wichtig.
Hinzu kommt, dass noch keine gesellschaftliche Akzeptanz und Bewusstseinsbildung gegeben ist. Es bestehen zum Beispiel Befürchtungen, dass Platoons den Verkehrsfluss behindern, indem sich Pkw hinter den Kolonnen stauen.
Und auch viele Fahrer werden erst einmal Vorbehalte haben und sich fragen, ob das nicht langweilig und überhaupt sicher ist. Die Sicherheit wird jedoch definitiv erhöht, da die Reaktion auf ein Zehntel der menschlichen Reaktionszeit verkürzt wird. Ich bin davon überzeugt, dass die Attraktivität des Fahrerberufs durch den Einsatz dieser Technologie steigt. Aktuell ist Lkw-Fahren auf Fernstrecken monoton und ermüdend, bei Tag und insbesondere bei Dunkelheit. Durch vernetztes beziehungsweise autonomes Fahren könnten die Aufgaben für die Fahrer vielfältiger und weniger belastend werden.
Welche Aufgaben wären denn denkbar?
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Das fragen uns auch die Lkw-Hersteller, die die Führerhäuser für Autonomes oder Vernetztes Fahren optimieren möchten. Ich sehe da vor allem Aufgaben aus dem logistischen Spektrum. So könnte der Fahrer zum Beispiel seine nächste Tour arrangieren oder Rückladungen organisieren – gerade, wenn er selbständig ist. Auch eine verstärkte Kommunikation eines angestellten Fahrers mit der Zentrale ist denkbar. Daneben könnte er die Ankunft vorbereiten: Entlade-Slots buchen, mit Kunden bzw. der Zentrale bei Planabweichungen kommunizieren, die notwendigen (elektronischen) Dokumente Zusammenstellung oder gemäß der Verkehrslage und seiner Lenk- und Ruhezeiten einen passenden Standplatzes finden. Das alles wäre möglich. Generell eignen sich Aufgaben, die sich per Smartphone und oder Tablet erledigen lassen. Voraussetzung ist aber, dass der Fahrer jederzeit unterbrechen kann, um die Aufmerksamkeit wieder auf den Verkehr zu richten.
Und welche Chancen sehen Sie für Unternehmen wie DB Schenker?
Jeder Radfahrer kennt das: Windschattenfahren spart Energie. In erster Linie erhoffen wir uns vom Platooning Kostensenkungen durch einen geringeren Kraftstoffverbrauch und damit auch weniger CO2-Emissionen. Die Kraftstoffersparnis von zehn Prozent im zweiten Fahrzeug muss aber noch unter Praxisbedingungen nachgewiesen werden. Durch unsere Tests werden wir mehr erfahren.
Daneben würde uns eine höhere Attraktivität des Kraftfahrerberufs helfen, denn der bestehende beziehungsweise zu erwartende Fahrermangel durch den anstehenden Generationswechsel könnte so entschärft werden. Für uns ist das von hoher Bedeutung. Gleichzeitig kann es gegebenenfalls zu Veränderungen der Lenk- und Ruhezeiten kommen. Das würde sich dann eventuell auf die Reichweiten innerhalb einer definierten Zeitspanne auswirken. Mit Blick darauf fragen wir fragen uns zum Beispiel, wie das Fahren als folgendes Fahrzeug im Platoon zu bewerten ist, wenn es denn längere im Platoon gefahrene Abschnitte gibt? Lenkzeit, Ruhezeit, Bereitschaft – hier können wir mit dem Test zur Verbesserung der Daten- und Informationslage beitragen.
[selectivetweet]Interview: #Platooning und #Autonomes Fahren könnten Fahrermangel entschärfen. #Landverkehr [/selectivetweet]
Schauen wir einige Stufen weiter auf das vollständig Autonome, also das fahrerlose Fahren, könnten auf der Langstrecke die Personalkosten sinken. Unser Personal würde sich dann vollständig auf die Verteilung der Sendungen in der Fläche konzentrieren. Aber das ist meiner Meinung nach erst sehr weit in der Zukunft realistisch, vielleicht in 15 bis 20 Jahren. Gleichzeitig ist ungeklärt, welche zusätzlichen Kapazitäten und Kompetenzen es für die Steuerung autonomer Fahrzeugflotten braucht.
In der Automotive-Branche ist Autonomes Fahren trotzdem schon jetzt ein großes Thema, in das stark investiert wird. Befasst sich DB Schenker schon mit der Technologie?
Ja, Autonomes Fahren ist auch bei uns schon Thema. Wir planen bereits einen Test, der zeitlich nachgelagert zum Platooning gestartet werden soll. Dabei wird Autonomes Fahren auf firmeneigenem Gelände untersucht werden. Dabei möchten wir herausfinden, welche Rolle die Technologie auf dem Werksgelände spielen kann und was es für die Gestaltung der Infrastruktur bedeutet. Wie müssen wir zum Beispiel neue Standorte planen, damit sie sich optimal mit der Technologie ergänzen?
Aber Schritt für Schritt. Zunächst einmal konzentrieren wir uns auf den Platooning-Test mit MAN. Im Gegensatz zum Autonomen Fahren ist Platooning schon in greifbarer Nähe. Hier wollen wir mitgestalten, die Vorteilhaftigkeit in verschiedener Hinsicht selbst erfahren und dazu beitragen, dass Lkw diese Technologie dann bald auf der Straße nutzen können.
Vielen Dank für das nette und gleichermaßen informative Gespräch!
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Seit zwei Jahren ist Dr. Ane-Kristin Reif-Mosel für DB Schenker tätig. Als Projektmanagerin im Bereich Strategy & Corporate Development befasst sie sich mit Themen rund um Landverkehr 4.0 und ist Projektkoordinatorin für das Thema Vernetztes und Autonomes Fahren.
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