In Deutschland gibt es genau 13.183 Kilometer Autobahn, dazu kommen noch einmal knapp 230.000 Kilometer überörtliche Straßen, also Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, und unzählige Kilometer an innerörtlichen Straßen. Die durchschnittliche Fahrleistung betrug 2019 mehr als 250 Milliarden Kilometer auf den Autobahnen. Es ist viel los auf Deutschlands Straßen.
Für gewöhnlich fließt der Verkehr – auf der rechten Spur langsamere Fahrzeuge wie Lkw, in der Mitte und links schnellere Verkehrsteilnehmer. Doch Baustellen, Unfälle oder ein besonders hohes Verkehrsaufkommen, etwa aufgrund von Reisewellen, bremsen den Verkehrsfluss. Weder Urlaubsreisende noch Berufskraftfahrer:innen mit festgelegten Lieferzeiten möchten unnötig Zeit im Stillstand auf der Autobahn verbringen. Lange Staus verursachen Unmut und sorgen alljährlich für negative Schlagzeilen. Die moderne Verkehrssteuerung hat sich zum Ziel gesetzt, Staus deutlich zu reduzieren und den Verkehrsfluss insgesamt zu verbessern.
Das Großhirn steuert den Autobahnverkehr
Die Verkehrssteuerung ist bundesweit in regionale Verkehrszentralen gegliedert. Seit Januar 2021 gibt es zudem die Verkehrszentrale Deutschland (VZD). Sie sitzt am Verkehrsknotenpunkt in Frankfurt am Main und verbindet die gesamten Informationen über den Verkehr auf Deutschlands Autobahnen. Die VZD sieht sich selbst als das Großhirn der Verkehrssteuerung und möchte Informationen besser koordinieren, um Fahrer:innen schneller informieren zu können. Während die regionalen Verkehrszentralen jeweils ihre Strecken im Blick haben, kann die VZD auch überregionale Strecken wie den Weg zwischen Frankfurt am Main und München koordinieren.
Dank Echtzeitdaten über den Verkehr sehen die Mitarbeitenden der VZD etwa, dass sich der Verkehr auf einem Abschnitt der A3 verdichtet und sich ein Stau anbahnt. Sofort suchen die Operatoren nach einer alternativen Strecke – so bietet sich zum Beispiel von Frankfurt am Main der Weg über die A5 und die A8 an. Bevor sie die Strecke offiziell als Alternative auf den Autobahnen kommunizieren dürfen, müssen sie sich die Zustimmung der regionalen Verkehrszentralen einholen. Diesen fällt auf, dass es bei Ulm eine Tagesbaustelle gibt. Nach einer kurzen Absprache über ein digitales Tool erfährt das Team der VZD, dass die Tagesbaustelle kurzfristig abgeräumt werden kann, sodass der Verkehr dort störungsfrei fließen kann. „Dank unseres neuen Dashboards erhalten die Operatoren einen Überblick über Großereignisse und können schnell Strategien zum Verkehrsmanagement aktivieren“, sagt Professor Gerd Riegelhuth, Geschäftsbereichsleiter Verkehrsmanagement, Betrieb und Verkehr bei der VZD.
Moderne Kommunikation für besseren Verkehrsfluss
Die Digitalisierung hält auch bei der Verkehrszentrale Deutschland Einzug und das gilt nicht nur für die interne Verkehrsplanung. An deutschen Autobahnen gibt es mittlerweile unzählige digitale Anzeigen: Auf diesen werden zum Beispiel die Informationen über eine alternative Wegführung nach München ausgespielt. Zusätzlich hat die VZD eine Autobahn-App entwickelt, über die Fahrer:innen aktuelle Informationen über den Verkehr erhalten und selbst alternative Routen planen können. Die Verkehrsinformationen werden nach wie vor ebenfalls über das Radio und an Navigationsgeräte übertragen. Doch künftig möchte die VZD einen Schritt weiter gehen: Verkehrsinformationen sollen bald direkt an Autos und Lkw übertragen werden – möglich macht das die digitale Vernetzung von Fahrzeugen.
Auch wenn das heute noch etwas weit entfernt klingt, ist es doch näher, als es sich anhört: Schon heute sind viele neuere Fahrzeugmodelle mit smarten Computern ausgestattet. Diese kommen zum Beispiel für die Einparkhilfe oder diverse Kontrollfunktionen im Fahrzeug zum Einsatz. Auf der nächsten Ebene sollen die Fahrzeuge sozusagen „online“ gehen können. Dann werden sie in der Lage sein, automatisch und individuell aktuelle Verkehrsdaten abzurufen und alternative Routen über den Bordcomputer vorzuschlagen.
Das nächste Level wird erreicht, wenn Fahrzeuge Schwärme auf den Autobahnen bilden können, indem sie miteinander kommunizieren und so selbst einen optimalen Verkehrsfluss koordinieren. Das allerdings hängt nicht von der VZD selbst ab, denn zunächst müssen genügend dieser neuen, smarten Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein. Rollen sie erst einmal über die Autobahnen, so kann die VZD auf diese Entwicklung reagieren, mit ihnen kommunizieren und so den Verkehrsfluss zusätzlich optimieren.
Staus, besonders aufgrund von Unfällen, werden zwar nie ganz zu vermeiden sein. Dank Echtzeitanalysen und neuer Kommunikationswege sollen Verkehrsteilnehmer, die noch nicht im Stau stehen, schnell und direkt alternative Routen vorgeschlagen bekommen. Dies geschieht entweder an einer digitalen Tafel vor dem Autobahnkreuz, über das Radio oder die smarten Fahrzeuge. So werden Lkw und Auto den Fahrer:innen selbst von einer möglichen neuen Route berichten. Bleibt nur abzuwarten, wann die Fahrzeuge diese Route dann auch selbstständig einschlagen können.