Mars, der rote Planet, fasziniert die Menschheit. Nicht nur, weil der nach dem römischen Kriegsgott benannte Planet so erkennbar anders, nämlich rot am Himmel schimmert. Auch, weil er lange Zeit als Heimat der Marsmännchen und anderer Fremdlinge aus dem All galt.
Und schließlich, weil die Eroberung des Mars eine Aufgabe ist, die unglaubliches nachschubtechnisches Know-how erfordert: Extraterrestrische Logistik at its best.
Derzeit schicken die USA, China oder die Vereinigten Arabischen Emirate Sonden und Rover zum Mars: „Fragen an den Himmel“, „Hoffnung“ oder „Durchhaltevermögen“ heißen die Gefährten. Ihnen ist gemein: Sie sollen unseren Nachbarplaneten erkunden und sind zugleich ein Schritt zur Realisierung eines Menschheitstraums.
„Wenn man sich mit dem Mars beschäftigt, wird der Mond völlig uninteressant – auch wenn er viel näher liegt“, sagt Jürgen Herholz, Vorstandsmitglied der Mars Society Deutschland. Die gemeinnützige Organisation engagiert sich für die Erforschung und Besiedlung des Roten Planeten, weil sich Mars und Erde so ähneln. „Der Mars ist unabhängig von der Erde entstanden und nur um die Hälfte weiter entfernt von der Sonne, weist aber geologisch ähnliche Bedingungen auf wie die Erde“, sagt Herholz.
Technisch ist die Marsbesiedelung möglich
Seit Jahrhunderten träumen die Menschen davon, den Mars zu erobern und zu besiedeln. Als 1965 die Marssonde Mariner 4 erstmals Bilder vom roten Planeten schickte, schien der Aufbruch zum Mars mit einem Mal technisch möglich. Es folgten weitere Sonden, 1976 landete erstmals eine Sonde auf dem Mars. Dem Aufbruch der Menschheit zum Partnerplaneten schien seitdem nichts mehr im Wege zu stehen.
Die internationale Mars Society mit ihren einigen tausend Mitgliedern weltweit beispielsweise kämpft für mehr Engagement für den roten Planeten. Ende des vergangenen Jahrhunderts legte der US-Wissenschaftler und Unternehmer Robert Zubrin mit der Mars Society einen Plan vor, wie vorhandene Technik eine Reise zum Mars und zurück möglich machen könnte. Mars Direct hieß das Projekt, das geschätzt bis zu 120 Milliarden US-Dollar verschlingen würde. Dafür könnten vier Astronauten etwa drei Jahre auf dem Mars leben und arbeiten, bevor sie zurück zur Erde fliegen.
Eine Frage der Logistik
„Wir wissen heute, dass man rund 40 Tonnen Material auf den Mars bringen müsste, wenn man ihn besiedeln wollte: Landegeräte, Wohneinheiten und technische Anlagen“, sagt Herholz.
Diese Materialmengen für eine Marsstation auf eine Millionen Kilometer lange Reise zu schicken, ist allerdings kein Pappenstiel. Anschließend müsste das Material auch wieder sicher auf den Mars landen und dort zusammengebaut und in Betrieb genommen werden.
Für die Reise durchs All gibt es mittlerweile verschiedene Konzepte, um teure und ressourcenaufwändige Direktflüge zu reduzieren. So könnte – ähnlich wie beim Hub-and-Spoke-Konzept von DB Schenker – Fracht von speziellen Startraketen in den Orbit gebracht werden. Dort würden Shuttle-Raumschiffe die Fracht aufnehmen, zügig zum Mars bringen und auf dem Rückweg Passagiere oder Marsmaterial mitnehmen. Im terrestrischen Orbit steigen sie in spezielle Landemodule um, um auf die Erde zu gelangen.
„Wir haben in den vergangenen Jahren viele Erfahrungen mit der Internationalen Raumstation ISS gesammelt und wissen, was technisch funktioniert“, sagt Herholz, der fast 30 Jahre lang in der bemannten Raumfahrt gearbeitet hat. So hat die Europäische Raumfahrtagentur ESA ermittelt, dass jeder Astronaut pro Tag 14,6 Kilogramm flüssige, gasförmige und feste Stoffe benötigt, wobei der größte Posten auf „Wasser“ entfällt.
Zwar ist es heute technisch möglich, Sauerstoff – und damit Atemluft und Treibstoff – aus Wasser zu erzeugen, welches nachweisbar auf dem Mars vorhanden ist. Lebensmittel hingegen können nicht recycelt werden. Während sich die Astronauten auf der ISS heute viele, auch frische Essenswünsche erfüllen können, kämen auf der Reise zum Mars nur Nahrungsmittel zum Einsatz, die auch unter extremen Bedingungen viele Jahre lang haltbar sind.
Große Entfernungen und eine fehlende Atmosphäre
Und dann ist da noch die Entfernung: 55 Millionen Kilometer liegen im besten Fall zwischen den Planeten. Rund sechs Monate benötigte dafür der Rover Perseverance, den die Nasa kürzlich auf dem Mars landete. Wegen der unterschiedlichen Umlaufbahnen der beiden Planeten gibt es nur alle 26 Monate ein kurzes Zeitfenster, in dem Flüge realistisch sind – weshalb im Jahr 2020 gleich drei Missionen zum Mars aufbrachen.
Die Entfernung macht auch das direkte Eingreifen schwierig: Signale vom Mars benötigen mit Lichtgeschwindigkeit rund elf Minuten bis zur Zentrale auf der Erde. Das ist viel Zeit, um schnell auf unvorhergesehene Situation zu reagieren. Das heißt, die Technik müsste robust und lernfähig sein.
Und schließlich die Ressourcen für das Überleben von Menschen. „Die fehlende Atmosphäre ist der größte Hinderungsgrund für eine Besiedelung. Man kann seriös davon ausgehen, dass der Mars vor zwei bis drei Milliarden Jahren eine Atmosphäre hatte wie Erde“, sagt Herholz. Die aber hat sich mittlerweile größtenteils in den Weltraum verflüchtigt: Der Mars weist nur ein Drittel der Schwerkraft der Erde auf.
Hohe Kosten
So ungewiss die Mars-Expeditionen sind, so sicher sind ihre hohen Kosten: Zwischen 2.300 und 2.600 US-Dollar kostet es heute, ein Kilogramm Fracht in die Umlaufbahn der Erde zu bringen. Das ist zwar nur noch ein Zehntel des Betrags, der in den 1960er Jahren notwendig war, aber immer noch zu viel für ein lukratives Marsbusiness. Recycling-Raketen, Kooperationen mit staatlichen Institutionen und nicht zu guter Letzt Weltraumtourismus könnten helfen, die Kosten für Raumtransporte zu stemmen.
Um die 120 Milliarden US-Dollar würde eine bemannte Mission zum Mars inklusive Rückkehrmöglichkeit zur Erde kosten, hat die Mars Society ausgerechnet. Das entspricht ungefähr den Ausgaben für das Apollo-Programm, das vor fünfzig Jahren Menschen auf den Mond brachte. „Ich bin selber Ingenieur und halte das für sehr realistisch“, sagt Herholz. Der Traum von der Mars-Reise könnte schon in wenigen Jahrzehnten wahr werden.
About the Author
Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.