Dass Trailer mit DB Schenker-Logo auf eine Fähre fahren, ist an sich keine Meldung wert. Passiert nämlich sehr oft. Trotzdem: In Rostock gab es genau deshalb was zu feiern. Der Auflieger war nämlich einer der ersten, der die neue Fährverbindung zwischen Rostock und Nynäshamn bei Stockholm nutzte. Seit Ende August 2021 legt die 200 Meter lange M/S Drotten dreimal wöchentlich vom Seehafen Rostock ab und ebenso oft von Nynäshamn. Einmal pro Woche steuert das Schiff Gotland zum Zwischenstopp an.
Die Überfahrt dauert 18 Stunden, vom Hafen Nynäshamn sind es 60 Kilometer nach Stockholm. Die eigentliche Zeitersparnis liegt bei drei Stunden. Aber das sind entscheidende Stunden für die Einbindung der Transporte in die Systemverkehre. „Die Waren unserer Kunden erreichen den Wirtschaftsraum Stockholm bis zu einen Tag früher, als wenn der Lkw den über 650 Kilometer langen Landweg nimmt“, sagt Gunnar Scholtz, Leiter der für Rostock zuständigen DB Schenker-Geschäftsstelle Güstrow. In der Logistik ist das eine gefühlte Ewigkeit.
Auf den eigenen Rädern
Beim Stichwort „See und Transport“ denken die meisten an Container-Verladungen vom Lkw aufs Schiff. Auch auf der Fähre zwischen Rostock und Nynäshamn ist das möglich. Hauptsächlich wird die Drotten aber für das RoRo-Verfahren genutzt. Die Abkürzung steht für Roll-on/Roll-off: Die Fracht wird nicht vom Lkw getrennt, stattdessen fährt das Fahrzeug eigenständig auf das Schiff und im Zielhafen wieder herunter. Verzögerungen durch Warenumschlag entstehen nicht.
Die Ökobilanz der schwimmenden Straße kann sich sehen lassen: Die Abkürzung über die Ostsee verursacht mindestens 20 Prozent weniger Emissionen als der Landweg. Da kommt in Summe einiges zusammen! Man bedenke, dass Hansa Destinations Kapazitäten aufbauen will, um jährlich 75.000 Lkw vorübergehend von der Straße zu holen. Hansa Destinations, der Betreiber der Fährverbindung, ist eine Tochtergesellschaft der schwedischen Rederi AB Gotlan.
Mehr Kapazitäten für die Kunden
Der Vorteil dieses neuen Angebotes wäre allerdings nur unzureichend gewürdigt, wenn wir hier allein die Transportgeschwindigkeit und den Umweltfaktor ins Schaufenster stellten. Mindestens genauso bedeutsam ist, dass DB Schenker an Flexibilität gewinnt. Denn die Frage lautet ja nicht „ausschließlich Straße oder ausschließlich Fähre?“. Vielmehr nutzt der Logistiker nun eine zusätzliche Option und erhöht dadurch die Kapazitäten für die Kunden. Zudem ist die Verbindung zwischen Deutschland und Schweden auf der Straße störanfällig: Staus und andere Unwägbarkeiten beeinträchtigen immer wieder die reibungslose Transportabwicklung. Da ist es gut, wenn man eine alternative Route im Ärmel hat, auf der sich die Zeitpläne exakt einhalten lassen. Das Ergebnis heißt dann: Kundenzufriedenheit. Neben Straße und Wasser bietet DB Schenker für Schweden-Verkehre noch eine dritte Option an: den kombinierten Verkehr. Dafür wechseln die Lkw-Trailer in Trelleburg (Süd-Schweden) auf die Schiene.
Auch für Touristen
So wichtig die neue Fährverbindung für den Güterverkehr ist: Man kann das Angebot auch durch die Touristik-Brille betrachten und eine Überfahrt „als Mensch“ buchen. Etwa um Ausschau zu halten nach Kurt Wallander und Pippi Langstrumpf. Das One-Way-Ticket gibt es für 55 Euro, Autos kosten extra. Jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag geht es um 19 Uhr in Rostock los, Ankunft in Nynäshamn am nächsten Tag um 13 Uhr. Von dort fährt man ganz komfortabel mit der S-Bahn nach Stockholm. Wenn das neue Angebot gut ankommt, soll die Drotten ein Schwesterschiff bekommen, das auf der gleichen Route pendelt. Das würde bedeuten, dass es dann täglich von Rostock nach Nynäshamn geht – mit Touristen und mit Lkw an Bord.
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Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.