„Bei Amsterdam eröffnet die größte Schleuse der Welt.“ Für Hundertjährige mag diese Meldung ein Déjà-vu gewesen sein. Die gleiche Headline ging nämlich schon 1930 über den gerade erst erfundenen Nachrichtenticker. Irgendwann verlor die „Noordersluis“ ihren Status als Primus. Doch nun blicken wieder alle zur holländischen Westküste. Am 26. Januar 2022 weihte Willelm-Alexander, König der Niederlande, die Nachfolgerin der greisen Nordschleuse ein. Ihr Name: Seeschleuse IJmuiden – die Niederländer sagen Zeesluis IJmuiden. Erneut heißt es: die weltgrößte Schleuse. Diesmal ist sie 500 Meter lang, 70 Meter breit, 18 Meter tief. Das reicht selbst für die Giganten unter den Container- und Kreuzfahrtschiffen.
Seeschleuse
• 500 Meter lang, 70 Meter breit, 18 Meter tief.
• Platz für Schiffe mit bis zu 400 Meter Länge und 57 Meter Breite.
• 630 Millionen Liter Wasser fließen in die Schleuse. Das entspricht dem Volumen von 250 Schwimmbädern gemäß Olympianorm.
• Gezeitenunabhängig und rund um die Uhr nutzbar.
• Die Seeschleuse IJmuiden ersetzt die Noordersluis, die 1929 vollendet und 1930 offiziell eingeweiht wurde.
Jedes Tor wiegt knapp 3.000 Tonnen
Die Schleuse bildet die Verbindung von Nordsee und Nordseekanal. Schiffe, die sie passieren, erreichen nach gut 20 Kilometern den Hafen von Amsterdam. Die 2016 begonnenen Bauarbeiten haben rund eine Milliarde Euro gekostet und sich länger als geplant hingezogen. Ursprünglich war die Eröffnung für 2019 vorgesehen. Gründe für die Verzögerungen waren unter anderem Planungsfehler und Probleme mit den Schleusentoren. Die stammen aus Südkorea, sind 72 Meter lang, 24 Meter hoch und 11 Meter dick. Jedes der beiden baugleichen Schleusentore wiegt 2.900 Tonnen. Dass sie identisch sind, bringt einen logistisch-kaufmännischen Vorteil mit sich: Die Betreiber müssen für den Fall der Fälle nur ein Reserveexemplar vorhalten.
Gute Anbindung an die europäischen Märkte
Die Amsterdamer Hafenregion zählt zu den wichtigsten Logistikzentren der Welt. Mit einem Frachtumschlag von knapp 100 Millionen Tonnen pro Jahr gehört der Seehafen zu den fünf größten in Westeuropa. Seine strategische und zentrale Lage macht ihn leicht erreichbar und gewährleistet eine hervorragende Anbindung an die europäischen Märkte. An den Kais des Hafens werden hauptsächlich Massengüter umgeschlagen – landwirtschaftliche Produkte, Düngemittel und Brennstoff. Amsterdam gilt als der größte Treibstoffhafen der Welt. Außerdem hat die niederländische Hauptstadt in den vergangenen Jahren mehr als 200 Hochsee-Kreuzfahrtschiffe empfangen.
Nordsee bekommt ihr Salzwasser zurück
Obwohl technisch voll funktionsfähig, wird die Schleuse in der ersten Zeit nur eingeschränkt genutzt. Das liegt daran, dass noch eine Anlage fehlt, die das Salzwasser zurück in die Nordsee befördert. Die Anlage soll bis Ende 2024 fertig sein. Die alte Schleuse bleibt wohl noch ein paar Jahre länger in Betrieb.
Was der Amsterdamer Seele besonders guttut: Das Vorzeigeobjekt hat nicht irgendwem den Titel „Größte Schleuse der Welt“ abgejagt, sondern dem ewigen Kontrahenten Antwerpen in Belgien. Die dortige Kieldrecht-Schleuse zieht gegenüber dem neuen Rekordhalter in Sachen Breite und Tiefe den Kürzeren. Aber nur um wenige Zentimeter.
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Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.