Die Wirtschaftsleistung Afrikas birgt viele Potenziale – insbesondere dort, wo es mit der Infrastruktur aufwärts geht wie hier in Addis Abeba. © derejeb / stock.adobe.com
Die Wirtschaftsleistung Afrikas birgt viele Potenziale – insbesondere dort, wo es mit der Infrastruktur aufwärts geht wie hier in Addis Abeba. © derejeb / stock.adobe.com

Sein Büro hat Thomas Ruelke von DB Schenker in der Logistic City von Dubai nahe dem neuen Flughafen aufgeschlagen. Seinen Fokus richtet der Chief Commercial Officer (CCO) Middle East and Africa auf den gesamten Kontinent.

logistik aktuell: Herr Ruelke, Sie sind seit über drei Jahren für DB Schenker in Afrika unterwegs. Dürfen wir Sie als einen Spezialisten für Afrika-Logistik bezeichnen?

Thomas Ruelke: Nur wenn wir uns darauf verständigen, dass es so etwas wie die Afrika-Logistik – mit betontem „die“ – nicht gibt. Afrika ist ein riesiges Territorium, etwa so groß wie die USA, die EU, China und Indien zusammen. Da gibt es 54 Staaten mit sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, geografischen und auch klimatischen Voraussetzungen. Wer sich ein bisschen auskennt, tut sich schwer, etwas allgemein Verbindliches über die Logistik in Afrika zu sagen.

Immerhin ist DB Schenker in 25 afrikanischen Ländern vertreten und beschäftigt dort rund 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Deshalb dürfen wir uns als Logistiker insgesamt eine gewisse Afrika-Kompetenz auf die Fahnen schreiben. Das ist wichtig für unsere Kunden weltweit. Denn Afrika ist ein Kontinent, der für die Wirtschaft immer interessanter wird.

Was sich auch auf der politischen Bühne widerspiegelt. Wir denken an die Pan-African Mobility Alliance vom vergangenen Herbst oder an die G20-Initiative Compact with Africa, die unter deutscher G20-Präsidentschaft ins Leben gerufen wurde.

Man fördert unter anderem viele Privatinvestitionen, um die Lebenssituation der Menschen nachhaltig zu verbessern. Das bezieht den Aufbau von Produktionsstätten ein. Und vergessen Sie nicht die pan-afrikanische Freihandelszone, die einen freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen sämtlichen afrikanischen Staaten anstrebt. Das ist ein ganz wichtiger Impuls, auch für die europäische und deutsche Wirtschaft.

Inwiefern hilft es der europäischen Wirtschaft, wenn im afrikanischen Binnenhandel die Barrieren fallen?

Einzelne nationale afrikanische Märkte sind für Globalplayer oft nicht groß genug, um dort zu investieren. Wenn man aber von einem Standort aus gleich mehrere Länder ohne Zollschranken und andere Hemmnisse erreicht, sieht das anders aus. Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Wirtschaftsleistung von Afrika bei 2,3 Billionen Dollar liegt. Hier steckt gewaltiges Potenzial – auch für die Logistik.

Was muss passieren, damit europäische Unternehmen ihre Chancen erkennen und nutzen?

Viele tun es ja schon. Sie fühlen: Es ist in, in Afrika zu sein. Sie springen auf den Zug auf, auch wenn sie den Fahrplan noch nicht genau kennen. Es gibt in der Welt keine Region, die ein solches Wachstum verheißt. Hier laufen enorm viele Infrastrukturprojekte. Ich denke an Äthiopien oder an Westafrika wie zum Beispiel den Senegal oder Ghana. Durch die Infrastruktur geht es auch mit der Konsumgüterindustrie aufwärts. Aber es muss auch auf der psychologischen Ebene etwas passieren, damit die westliche Wirtschaft ihre Chancen nutzen kann.

Und zwar?

Wir müssen endlich damit aufhören, Afrika zu unterschätzen. Es geht nicht um Wüste oder Safari. Vergleichen Sie das mal mit Asien. Vor 50 Jahren haben die Menschen beim Stichwort Asien an Reisfelder, Stäbchen und an das Land des Lächelns von Franz Lehar gedacht. Heute haben wir pulsierende Metropolen wie Shanghai, Seoul oder Delhi vor Augen. Genauso wird sich unser Bild von Afrika ändern. In einer McKinsey-Studie habe ich gelesen, dass die meisten Menschen Afrikas Wirtschaftskraft nicht kennen. Auf die Frage, wie viele Unternehmen mit Sitz in Afrika einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro ausweisen, haben die meisten „weniger als 50“ geschätzt.

Und wie viele sind es?

Weit über 400. Und die wachsen schneller und sind profitabler als ihre globalen Pendants. Ich kenne hier internationale Konsumgüterunternehmen mit jährlichen Wachstumsraten von 150 Prozent. Deutsche Unternehmen bauen in Äthiopien Obst und Gemüse für den lokalen Markt an. Da bewegt sich viel und der Trend wird sich fortsetzen. Bis 2050 sollen in Afrika 2,5 Milliarden Menschen leben. Das sind 2,5 Milliarden Konsumenten. Momentan sind es halb so viele. Da ist ein Zukunftsmarkt vor unserer Haustür entstanden, um den keiner herumkommt.

Aber ein schwieriger Zukunftsmarkt …

… für den man Know-how braucht. Und für den man sich Zeit nehmen muss. Eine generelle Afrika-Strategie gibt es nicht. Und schon gar keine schnelle. Wer Fuß fassen will, muss hart arbeiten, die Menschen verstehen und sich die jeweiligen Gegebenheiten genau ansehen. Vor nicht allzu langer Zeit hat DB Schenker für ein Solarkraftwerk mehrere Hundert Container nach Sambia befördert. Der Seeweg von China nach Tansania war Routine. Aber der mehrtägige Landweg ins Innere des Kontinents über unbefestigte Straßen, das war eine echte Challenge. Da zeigt sich dann, ob sich ein Logistiker auskennt und vor Ort leistungsfähig ist. Das meinte ich am Anfang unseres Gespräches, als ich sagte, es gibt nicht die Logistik-Kompetenz für Afrika. Aber genau da liegt die große Chance, neue Märkte zu erschließen. Und zwar echte Wachstumsmärkte. Unsere globalen Kunden haben das längst erkannt. Und DB Schenker auch.

Kontakt
Thomas Ruelke
CCO Middle East & Africa
E-Mail: thomas.ruelke@dbschenker.com

 

About the Author

Andreas Pietsch Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.