China ist in den vergangenen Jahren zur wirtschaftlichen Supermacht aufgestiegen. Wie sich der Logistikmarkt in dem Riesenreich verändert hat und welche Auswirkungen dies auf Europas Logistiker hat, erläutert Dietmar Prümm, Leiter Transport und Logistik bei der Unternehmensberatung PricewaterhouseCooper Germany.
logistik aktuell: Herr Prümm, China ist nach den USA die größte Volkswirtschaft der Welt und war 2017 Exportvizeweltmeister. Welches sind heute die wichtigsten Trends auf dem Logistikmarkt in China?
Dietmar Prümm: Das Land verzeichnet ja ein rasantes Wirtschaftswachstum, das den Logistikmarkt stark prägt: Allein der Umsatz der Logistikbranche in China ist in den letzten Jahren stetig um etwa fünf Prozent gewachsen. Nun hat Chinas Regierung klare Ziele für die Zukunft formuliert. Durch Investitionen in die Infrastruktur – wie die Initiative der „Neuen Seidenstraße“ – soll der „Flaschenhals Logistik“ beseitigt werden. Logistik in China soll effizienter werden, und dabei spielen neue Technologien eine große Rolle. Drohnen, Roboter, künstliche Intelligenz und Big Data beispielsweise werden in China verwendet, um hochmoderne automatisierte Logistikkomplexe zu errichten. Während in Deutschland Drohnen als Paketlieferanten zwar in Präsentationen gern verwendet werden, aber keine große Rolle in der Zustellung spielen, boomen Drohnendienste in China schon seit Jahren.
Nach welchen Kriterien wählen denn die Verlader ihre Logistiker in China aus?
In unserem Studien-Update „Deutsche Unternehmen in China – Logistikprozesse im Wandel“ sind wir der Frage nachgegangen, wie sich die Rahmenbedingungen logistischer Prozesse in den letzten Jahren verändert haben. Dabei haben wir festgestellt, dass Pünktlichkeit, Flexibilität und ausreichende Kapazitäten die Top-Kriterien für eine Auftragsvergabe an Logistiker in China sind. Unsere Umfrage hat gezeigt, dass die Kunden chinesischer Logistiker die Zufriedenheit und die Kompetenz ihrer Dienstleister in vielen Bereichen positiver bewerten als noch vor Jahren. Auffallend ist in allen Bereichen die durchgehend gesunkene Bewertung für internationale Dienstleister. Obwohl sie in vielen Bereichen noch immer deutlich mehr Topnoten erhalten als chinesische Logistikunternehmen, holen die chinesischen Mitbewerber auf.
Beeinflusst das denn auch die europäischen Logistik-Anbieter?
Das ist eine Entwicklung, die auch andere Logistiker, die in China tätig sind, nicht ignorieren sollten. Sie müssen auf die Bedenken der Verlader wegen zu geringer Flexibilität, nicht ausreichender Kapazitäten und mangelhafter Qualität eingehen.
Gerade der stark expandierende Online-Handel stellt die Logistiker in China vor große Herausforderungen. Chinas Konsumenten sind Vorreiter bei der Nutzung digitaler Technologien für den Onlinekauf. Online-Marktplätze sind eine attraktive Alternative für internationale Händler und Konsumgüterhersteller, um den chinesischen Markt zu erschließen. Wichtig sind hier die Logistiklösungen, weil rund ein Drittel der chinesischen Konsumenten eine schnelle Lieferung, insbesondere die Same-Day Delivery, als wichtigen Faktor bei der Kaufentscheidung nennt. Nur zum Vergleich: In China wurden 2016 rund 31 Milliarden Pakete zu den Kunden geliefert, in Deutschland waren es rund 3 Milliarden Pakete.
Was bedeutet das für den Markt auf anderen Kontinenten?
Heute wickeln sechs große chinesische Anbieter fast 80 Prozent aller Online-Bestellungen in China ab. Diese Logistikdienstleister sind mit dem boomenden Internethandel in China stark gewachsen und treiben nun die globale Expansion voran. Die chinesischen Express-Logistiker schauen heute schon öfter über die Grenzen, um den Marktführern aus Europa und den USA die Marktanteile global streitig zu machen. Sie eröffnen Niederlassungen, betreiben Verteilerzentren und Warenlager und bieten viele Mehrwert-Dienstleistungen.
Müssen also Europas Logistiker um ihre bislang führende Rolle fürchten?
Die Wege zum Erfolg auf den Weltmärkten sind vielfältig. Entweder durch den Kauf ganzer Unternehmen oder Anteile, durch eigene Niederlassungen in den Ländern oder das Betreiben von Hubs, Häfen, Flughäfen und anderen Logistikobjekten im Ausland. Auch der Einstieg neuer Player aus anderen Branchen oder Startups werden das bisherige Wettbewerbsbild verändern.
In Deutschland haben sich schon viele daran gewöhnt, dass ein großer amerikanischer Onlinehändler den Lieferservice in lukrativen Regionen selbst durchführt. Das chinesische Pendant dazu betreibt bereits Hubs in Europa und wird nun die Kapazitäten ausweiten. Chinesische Logistiker bauen den Weg zum Endkunden strategisch aus. Das wird die Logistiklandschaft natürlich verändern.
About the Author
Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.