Auch wenn es so scheint: Zwischen Semi Knocked Down (SKD) und Completely Knocked Down (CKD) liegt mehr als nur eine quantitative Abstufung. Im ersten Fall werden Neufahrzeuge teilweise demontiert, im anderen gar nicht erst gebaut. Jedenfalls nicht im Versandland. DB Schenker praktiziert SKD unter anderem in Düsseldorf, CKD ein paar Kilometer rheinabwärts in Duisburg.
Hohe Zölle auf straßentauglichen Fahrzeugen
Um zu verstehen, was der Kontraktlogistiker da treibt, stellen wir uns einen Automobilhersteller (OEM) aus Deutschland vor. Der möchte sein hier gebautes Auto auf einem fernen Kontinent verkaufen. „Nichts einfacher als das“, sagt der Logistiker: Auto rauf auf das Überseeschiff, nach ein paar Wochen rollt es wieder runter und fertig ist die Überführung. – Das funktioniert wirklich und wird so praktiziert. In einigen Fällen. Aber zwischen Export und Import liegt eine Instanz, die den freien Handel heftig ausbremst: der Zoll. Weltweit sind gebrauchsfertige Autos mit einer deutlich höheren Einfuhrsteuer belegt als bewegungsunfähige Autoteile. Warum? Weil die empfangenden Staaten Interesse daran haben, wertschöpfende Tätigkeiten im eigenen Land auszuführen. Das schafft Arbeitsplätze.
Damit kommt SKD ins Spiel: Semi Knocked Down. Autos oder Transporter verlassen fahrtüchtig das deutsche Werk. Um hohe Zölle zu vermeiden, werden sie bis zu einem definierten Grad („semi“) wieder zerlegt. Klingt komisch: Als hätte man endlich das 2.000-Teile-Puzzle von der Eiger-Nordwand bis auf das letzte Bröckchen zusammengefummelt. Und dann bastelt man mutwillig große Teile aus dem Gesamtbild heraus.
Wie ein Baukasten geht das Rumpfauto mitsamt seinen demontierten Teilen in den Export. „Bei SKD bauen wir Teile von Fahrzeugen ab, damit sie ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen“, erklärt Joachim Stern, Geschäftsleiter Rhein Logistik. „Zum Beispiel Sitze, Lenkrad oder den Antriebsstrang.“ Als Faustregel gilt: Je mehr die Montage im Empfangsland zu tun hat, umso weniger fordert das Zollamt. Fehlt lediglich eine Zündkerze, zeigt es sich wenig begeistert. Aber wenn an jedem einzelnen Fahrzeug im Einfuhrland 10 Stunden geschraubt wird, das ist schon was. Joachim Stern nennt ein realistisches Beispiel: „Durch ein SKD-Konzept lassen sich die Zölle durchaus von 20 auf 10 Prozent senken.“ Bei einem Marktpreis von 40.000 Euro pro Auto rechnet sich das.
Bei Personenkraftwagen lohnt sich SKD solange, wie die Verkaufszahlen im Zielland überschaubar bleiben. Brancheninsider sprechen von maximal 60.000 Stück im Jahr. Bei Nutzfahrzeugen sind es deutlich weniger. Aber ganz gleich, welcher Fahrzeugtyp: Ab einem bestimmten Verkaufserfolg kann ein anderes Konzept lukrativer sein. Womit wir bei CKD angelangt sind – Completely Knocked Down.
„SKD riecht nach Öl, CKD nach Verpackung“
Ein CDK-Fahrzeug gibt es eigentlich nicht. Denn hier reden wir von Einheiten, die vor dem Export nie ein Auto gewesen sind. Der Hersteller ruft die kompletten Teilesätze für ein erst im Zielland zu montierendes Auto bei seinen angestammten Lieferanten ab. Entladestelle: ein CKD-Konsolidierungscenter, wie DB Schenker es für Daimler im Duisburger Hafen unterhält. Der unbedarfte Besucher erkennt nicht sofort, dass hier ausschließlich Fahrzeugteile angeliefert, sicher verpackt und in 40-Fuß-Containern auf die Seereise geschickt werden. Es sieht mehr oder weniger aus, wie in jedem anderen Logistikzentrum: kleine Teile, große Teile, viel Gabelstaplerverkehr.
Dagegen treffen in einem SKD-Lager fertige Fahrzeuge ein, die Stück für Stück fahruntauglich gemacht werden. Deshalb erinnert der SKD-Standort von DB Schenker in Düsseldorf stark an eine überdimensionale Werkstatt. „Bei uns riecht es in einer SKD-Anlage nach Öl und Auto, in einer CKD-Anlage nach Kisten und anderen Verpackungen“, so Joachim Stern.
Lieferanten schrittweise aufbauen
Bleibt die Frage: Warum bauen deutsche Automobilhersteller ihre Fahrzeuge nicht gleich in China, Indien, den USA, Brasilien und wo immer der Automarkt boomt? „Da gibt es viele Motive“, weiß Michael Funke, Leiter des Standortes Duisburg. „Das wichtigste ist: Die Hersteller benötigen für jedes Modell zertifizierte Lieferanten, die die Komponenten in der geforderten Qualität punktgenau liefern.“ Solche Unternehmen fallen nicht vom Himmel.
Fängt ein OEM sein Exportgeschäft über SKD an, benötigt er im Zielland „nur“ eine zuverlässige Montagelinie, aber keine dort angesiedelten Lieferanten. Das erleichtert den Markteintritt. Auch bei CKD ändert sich an der Lieferantenstruktur nichts. Alle Teile reisen per Schiff an. Aber das Zielland übernimmt mehr und mehr Montageleistungen. Wenn das Modell ein Erfolg wird, steigt die Lust des Herstellers, auch im Zielland eine eigene Zuliefererindustrie aufzubauen. Es beginnt oft mit den großen und sensiblen Komponenten, deren Seetransport besonders aufwendig ist. Typisches Beispiel ist die Karosserie. Andere Teile kommen sukzessive hinzu. So werden Zulieferer aufgebaut und immer weniger Teile aus Europa benötigt. Am Ende eines erfolgreichen CKD-Projekts steht – nicht immer, aber immer wieder – ein Werk im Zielmarkt, das dort autark seine Teile vom heimischen Markt bezieht.
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Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.