Erik Wirsing, Vice President Global Innovation Schenker AG, über additive Fertigung und den Beitrag der Logistik.
logistik aktuell: Herr Wirsing, fangen wir mit einem Zitat von Ihnen an. „Das Schlimmste, was einem Logistiker passieren kann, ist: Alles ist schon dort, wo es gebraucht wird.“ – Wie weit ist die Logistikbranche im Zeitalter der additiven Fertigung von diesem Worst-Case-Szenario entfernt?
Erik Wirsing: Ich bin sicher, dass das noch etwas dauern wird. Aber als Logistiker müssen wir die Entwicklung im Blick behalten. Deshalb habe ich in meinem Vortrag auf dem diesjährigen Automobilforum diese plakative These aufgestellt. Noch sind wir vom Beamen weit entfernt und Logistiker werden weiterhin gebraucht. Natürlich erleben wir es bereits, dass Kunden einzelne Bauteile additiv fertigen und uns in einem anderen Umfang für Transporte und Lagerung benötigen. Aber bislang reden wir beim 3D-Druck hauptsächlich von Einzelteilen oder Kleinstserien. Die Fertigung der großen Chargen mit Tausenden von Komponenten, wie sie etwa ein Automobilzulieferer produziert, läuft noch konventionell ab.
Wo liegen die Herausforderungen im Themenfeld Logistik und 3D-Druck?
Da gibt es eine ganze Reihe. Allein schon das Thema Daten- oder Urheberschutz hat es in sich. Produzierende Unternehmen geben die Konstruktionsdaten ihrer Teile meistens an einen externen Dienstleister, damit er sie im 3D-Druck produziert. Da will der Auftraggeber natürlich sicherstellen, dass diese sensiblen Daten nicht an Dritte gelangen oder sonst wie missbraucht werden. Oder nehmen Sie einen anderen Fall: Jemand benötigt Nachbildungen eines Teiles, hat aber keine Konstruktionsdaten. Denn dieses Teil stammt aus der Zeit vor der Digitalisierung und die Pläne auf Papier sind im Archiv unauffindbar. Was ist zu tun? In solchen Fällen ist der Logistiker als Dienstleister und Berater gefragt, ohne dass es primär um Transportketten geht.
Sie sprechen hier das Thema Ersatzteile an.
Es gibt Kunden, die müssen mehrere Jahrzehnte Ersatzteile vorhalten. Sie belegen viel Platz im Lager, werden aber nur selten und in geringen Mengen abgerufen. Wenn Sie Ersatzteile on demand im 3D-Druck produzieren, brauchen Sie weniger Lagerfläche. Das kann man auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sehen. Sie müssen nicht Tausende Teile in weltweit verteilten Lagern für Ewigkeiten vorhalten, von denen am Ende vielleicht doch nur wenige Hundert benötigt werden. Den Rest wirft man irgendwann weg. Das kann man heute produktionstechnisch und logistisch eleganter und vor allem ressourcenschonender erledigen. Bei solchen Themen werden künftig die Logistiker – und da meine ich natürlich auch DB Schenker – mit praktikablen Lösungen aufwarten. Das schließt zusätzliche Tätigkeiten wie die Nachbearbeitung der Teile, Qualitätssicherung oder natürlich Lagerung und Transport mit ein.
Welche Dimension hat das Thema 3D-Druck bei DB Schenker heute schon?
Mit unserem Mutterkonzern, der Deutschen Bahn, haben wir bereits über 10.000 Ersatzteile für Züge gedruckt. Typische Produkte sind auch die Handlaufschilder an den Ausgängen von Bahnhöfen, die mit individuellen Wegweisern versehen sind. Davon braucht die Bahn etwa 15.000. Das heißt, 15.000 Unikate. Jeder Handlauf wird für den jeweiligen Standort individuell gefertigt.
Und was erwarten Sie in Zukunft?
Die Bedeutung des 3D-Drucks wird zunehmen – für unsere Kunden und für uns. DB Schenker ist darauf vorbereitet. Wir bieten den gesamten Prozess als neuen 3D-Druck-Service für unsere Kunden an. Das beginnt mit dem Screening und Engineering. Also damit, dass wir die Qualität der vorhandenen Daten auf ihre Tauglichkeit für den 3D-Druck prüfen und gegebenenfalls ein Redesign vornehmen. Dann übernehmen wir die eigentliche Fertigung und natürlich die Logistik. Wir produzieren Ersatzteile, wo und wann sie gebraucht werden und integrieren den 3D-Druck in die Lieferkette unserer Kunden.
About the Author
Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.