Ein Jahr lang im Test: der Mercedes Benz eActros bei DB Schenker in Leipzig. Gerade im städtischen Verteilerverkehr bieten batterieelektrische Fahrzeuge viele Vorteile. © DB Schenker

„Wenn es nach mir ginge, dann würden wir den eActros behalten“, sagt Ricardo Böhnke, „der fährt sich gut – und man fühlt sich super wohl!“ Der 47-jährige Böhnke ist Fahrer in der Geschäftsstelle Leipzig von DB Schenker. Aber nicht irgendein Fahrer, sondern einer von drei Mitarbeitern, die beim Pilotprojekt eActros mitmachen: Im Rahmen der sogenannten eActros „Innovationsflotte“ stellte Mercedes-Benz Lkw der Geschäftsstelle einen batterieelektrischen Lkw diesen Typs zur Verfügung. Schon fast ein Jahr lang testet der Logistikdienstleister das Fahrzeug.

Ein bis zwei Routen fährt Böhnke jeden Tag in der Leipziger Innenstadt mit dem eActros. Meist liefert er palettiertes Stückgut aus. „Der Lastwagen liegt super auf der Straße“, sagt Ricardo Böhnke. Dank Sensoren im und am Fahrzeug reagiert der Lkw auf mögliche Gefahrenquellen und kann, wenn nötig, sofort abbremsen.
Bis zu 25 Kunden beliefert er, bevor er den Lkw am Nachmittag wieder auf den Hof der Geschäftsstelle steuert. Dort schließt er den Wagen an das Ladekabel an und übergibt Papiere und Schlüssel: So endet ein Arbeitstag in Sachen neuer Mobilität in der Logistik.

Elektrisches Zugpferd im schweren Verteilerverkehr

Der eActros ist derzeit das elektrische Zugpferd des Nutzfahrzeugherstellers Mercedes-Benz Lkw. Damit will Mercedes-Benz ein neues Marktsegment erschließen: Lkw mit batterieelektrischem Antrieb für den schweren Lieferverkehr über Land oder in der Stadt.

Im Bereich der 3,5 bis 7,5-Tonner gibt es schon alltagstaugliche Alternativen zum Verbrenner, zum Beispiel den FUSO eCanter – ebenfalls aus dem Hause Daimler – , den DB Schenker einsetzt. „Wir haben bereits seit längerer Zeit leichte Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieben im Einsatz. Aber bisher fehlte es an Alternativen mit adäquater Nutzlast und ausreichendem Ladevolumen“, sagt Marcel Heun, Head of System Freight der Geschäftsstelle in Leipzig.

Anders sieht es bei schwereren Lkw aus. Deshalb stellte Daimler Trucks 2016 den ersten batterieelektrischen Schwerlastwagen vor. Anfang 2018 feierte der Hersteller die Weltpremiere des rundum weiterentwickelten Mercedes-Benz eActros, und seit Herbst 2018 laufen intensive Praxistests bei Kunden. 2020 startete die zweite Testphase für den Alltagsbetrieb. Zehn 18- und 25-Tonner wurden an Kunden in Belgien, den Niederlanden und Deutschland ausgeliefert. Ende des Jahres 2021 soll er in Serienreife produziert werden.

Der eActros wird vorwiegend im Stadtgebiet Leipzig und im näheren Umland eingesetzt © DB Schenker
Der eActros wird vorwiegend im Stadtgebiet Leipzig und im näheren Umland eingesetzt © DB Schenker

 

Rund 200 Kilometer Reichweite sind mit dem Prototyp möglich. © DB Schenker
Rund 200 Kilometer Reichweite sind mit dem Prototyp möglich. © DB Schenker

 

Die Geschäftsstelle Leipzig ist stark im Nahverkehr

Auch DB Schenker wurde Kooperationspartner für die Testphase – und zwar in Leipzig. Mit ihrem hohen Anteil an selbst durchgeführten Nahverkehrstouren bietet sich die Geschäftsstelle an, um das Potenzial des eActros in der Auslieferung von Stückgut mit eigenem Personal zu erproben. Die dortige Geschäftsstelle beschäftigt 130 Mitarbeiter allein im Landverkehr. Über 180 Fahrzeuge sind für DB Schenker in Leipzig allein im Stückgut- und Ladungsverkehr unterwegs, 15 davon gehören dem Logistikdienstleister. „Wir haben hier einen eigenen Fuhrpark für den Nahverkehr aufgebaut“, sagt Marcel Heun. „Aktuell setzen wir den eActros vorwiegend im Stadtgebiet Leipzig und dem näheren Umland ein. So decken wir eine klassische Nahverkehrs-Tour 100% elektrisch und emissionsfrei ab.“

Rund 200 Kilometer Reichweite sind mit dem Prototyp möglich. Auch schlechte Witterungsbedingungen oder Kälte verringern sie kaum, sagt Heun. „Wenn die Bedingungen stimmen, dann lässt sich durch Rekuperation, also die Umwandlung von Bremsenergie in elektrischen Strom im Motor die Reichweite voll und sogar über die 200 Kilometer hinaus ausreizen“, ergänzt Ricardo Böhnke.

Die ca. 240 kWh-starken Lithium-Ionen-Batterien bringen die beiden Elektromotoren an der Hinterachse auf ein maximales Drehmoment von jeweils 11.000 Nm – nach Übersetzung. Die Batterien werden über Nacht auf dem Gelände der Geschäftsstelle aufgeladen. Nach vier Stunden sind sie wieder voll. Das ginge auch doppelt so schnell, meint Heun. Aber dafür ist das Stromnetz an der Geschäftsstelle in der Testphase noch nicht ausgelegt.

Die Mobilität der Zukunft ist technologieoffen

Unterdessen läuft die Diskussion weiter, wie der Straßengüterverkehr nachhaltiger werden kann. Noch ist die Nutzfahrzeug-Mobilität der Zukunft weitgehend technologieoffen: Auch die Brennstoffzelle gilt mittelfristig als zuverlässige Technologie für den Schwerlastverkehr.

Doch viele Faktoren behindern die alternativen Antriebe: „Wir brauchen Fahrzeuge, mit denen wir produktiv und wirtschaftlich unterwegs sein können. Wir als Logistiker müssen dabei viele Parameter berücksichtigen: Die Entwicklung der Strompreise beispielsweise oder die Fahrzeugpreise, ihre Lebensdauer und die Reichweite“, sagt Heun. „Und natürlich brauchen wir eine öffentliche Ladeinfrastruktur.“ Der Operations Manager geht davon aus, dass es in den kommenden Jahren einen Mix an Antriebsformen geben wird: „Ich bin gespannt, was sich langfristig durchsetzt.“

 

About the Author

Axel Novak Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.