Nicht nur für Holztransport in unwegsamen Regionen eine Transportoption - der Flying Whale.© Fyling Whale
Nicht nur für Holztransport in unwegsamen Regionen eine Transportoption – der Flying Whale.© Fyling Whale

Wenn Sébastien Bougon seinen Blick beim Spazierengehen zum Himmel richtet, sieht er Zeppeline über sich hinwegziehen. Monsieur Bougon lebt nicht 1919, sondern 2019. Er ist echt, die Zeppeline sind es noch nicht. Doch wenn es nach ihm geht, ist seine Vision bald Realität:

Das französische Unternehmen Flying Whales – Fliegende Wale – vollendet mit dem LCA60T, was Cargo Lifter begann. Derzeit wird das Schwerlast-Luftschiff-Konzept in Frankreich und China bis zur Marktreife gefördert. 2021 soll der LCA60T dann in Frankreich abheben. Das Ziel des Luftschiffprojekts: schwere Güter in schwer zugängliche Gebiete transportieren.

Der LCA60T – Windkrafträdern und ganze Häuser im Lufttransport

Die ursprüngliche Idee Bougons mit dem LCA60T ist der Transport von Holz aus unwegsamen Regionen. Aber auch der Transport von Strommasten und Windkrafträdern sind alternative Einsatzmöglichkeiten. Sogar ganze Häuser sollen mit dem Luftfahrzeug bewegt werden können.

Das Funktionsprinzip: Die Fracht wird im 75 Meter langen und acht Meter hohen wie auch breiten Lastraum untergebracht, oder per Kran angehängt. Das Luftschiff muss zum Be- und Entladen nicht einmal auf dem Boden landen. Die Fracht kann stattdessen über ein Kransystem aufgenommen und abgeliefert werden.

Der LCA60T hat bei einer Länge von 150 Metern eine Traglast von 60 Tonnen. Wie die historischen Zeppeline früherer Tage hat auch das Luftschiff von Flying Whales ein solides Innengerüst. Apropos historische Zeppeline: Der Auftrieb wird durch Helium erzeugt. Ein sicheres Gas, das, anders als beispielsweise der Wasserstoff der bekannten Hindenburg, keine Explosionsgefahr birgt.

Mit einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern und einem deutlich geringeren Energiebedarf als vergleichbare Frachthelikopter stellt das französische Luftschiff eine echte ökologische und ökonomische Alternative dar: Die Betriebskosten sollen nur ein Zwanzigstel der entsprechenden Kosten für einen Frachthelikopter betragen. Die graphenbasierenden Ultrakondensatoren, elektrochemische Energiespeicher, können schneller auf- und entladen werden, als gewöhnliche Akkus.

Theoretisch hat der LCA60T eine Reichweite von 1.000 Kilometern, in der Praxis wird der Aktionsradius voraussichtlich 100 Kilometer betragen.

Unternehmung mit Auftrieb

Das etwa 50 Mitarbeiter starke Unternehmen Flying Whales hat Rückenwind: Staatliche Finanzhilfen aus Frankreich und China geben dem Projekt eine gute Chance erfolgreich abzuheben.

Das Unternehmen wurde bereits von der staatlichen französischen Förderbank BPI France mit 25 Millionen Euro unterstützt und wird von Experten als zukunftsweisend für die französische Wirtschaft gesehen.

Zu den Aktionären zählen das staatliche Forstamt ONF, die waldreiche französische Region Nouvelle Aquitaine (offenbar angeregt durch die Möglichkeiten zum Holztransport) sowie der chinesische Luft- und Rüstungskonzern Avic und die marokkanische Marita Group. Letztere interessiert sich vor allem für einen möglichen Transport von Hilfsgütern in schlecht erreichbare Regionen. Bis 2022 sollen sich die Kosten für das Projekt auf 200 Millionen Euro belaufen.

Cargolifter und Co: Luftschlösser vergangener Zeiten

Bereits zur Jahrtausendwende wurde in Deutschland mit dem Cargolifter an einem Frachtluftschiff gearbeitet. Mit seinen 260 Metern Länge und bis zu 160 Tonnen Fracht war dieses Luftschiff sogar noch imposanter angelegt als es der LCA60T jetzt ist.

Das Versprechen kurzer Transportzeiten und geringer Kosten für Überlandtransporte weckte das Interesse der Wirtschaft. Rund 70.000 Aktionäre hatten etwa 300 Millionen Euro investiert. Auch Schenker war seit 1997 als Aktionär beteiligt gewesen.

Der deutsche Riesenzeppelin erklärte sich wenige Jahre später für zahlungsunfähig, auch eine Bitte um staatliche Unterstützung verhallte damals ungehört. Schließlich musste das Unternehmen 2002 Insolvenz anmelden.

Zuletzt hatte das britische Unternehmen Hybrid Airship den Airlander entwickelt, ein hybrides Fahrzeug, das Merkmale eines Luftschiffs und eines Flugzeugs in sich vereint. Mit 92 Metern Länge eines der größten Luftfahrzeuge der jüngeren Vergangenheit. Nach einer Havarie im Jahre 2017 ist der Airlander ein Versicherungsfall und die Unternehmung hat eine ungewisse Zukunft.

Auch das US-amerikanische Unternehmen Lockheed arbeitet seit mehr als zehn Jahren an einem eigenen Luftschiff. Der geplante Hybrid, dem Airlander nicht unähnlich, hat bisher die Marktreife nicht erreicht.

Jungfernfahrt 2021

Flying Whales will seine Luftschiffe in Frankreich, China und Marokko herstellen. 2020 soll die Testphase des LCA60T beginnen, 2021 der Erstflug. Dann soll Flying Wales auch an die Börse gehen.

Ab 2022 ist dann die großangelegte Herstellung vorgesehen. 150 Stück sollen es in den ersten zehn Jahren laut Unternehmenschef Sébastien Bougon werden. Später dann zehn bis 20 pro Jahr.

Bisher stehen die Zeichen gut für Flying Whales. Doch letztlich ist noch offen, ob das ambitionierte Wal-Versprechen erfüllt wird – oder sich wie seine Vorgänger als Wahlversprechen herausstellt.

About the Author

Axel Novak Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.