Den Regenschirm kauft man bei Regen, die Grillwürstchen bei angekündigtem Sonnenschein zum Wochenende. Kaum etwas beeinflusst unserer Einkaufsverhalten so stark wie die Wetterprognose – ob unbewusst oder bewusst. Für die Händler heißt das: Sie müssen zum Himmel schauen, bevor sie Ware bestellen und anliefern lassen. Oder sie befragen spezielle Wetterdienste. „Das Wetter beeinflusst das Konsumverhalten stark, vor allem im Einzelhandel“, sagt Manfred Spatzierer, Geschäftsführer und Gründer von UBIMET. Das Unternehmen mit Sitz in Wien und Niederlassungen in Karlsruhe, Melbourne, München, New York und Zürich bietet meteorologische Daten, Vorhersagen und Warnungen, die es wetterabhängigen Branchen weltweit erlauben, Sicherheit und Effizienz zu erhöhen.
Klar, dass der Handel stark wetterabhängig ist. Wenn Stürme den Atlantik aufwühlen, kommen Containerschiffe langsamer voran. Wenn ein Erdrutsch eine Zugstrecke blockiert oder Flugzeuge bei Gewitter eine andere Route fliegen müssen, verzögern sich auch diese Anlieferungen. Doch neben den Großwetterereignissen können Meteorologen heute Trends bis auf die einzelne Stadtteilfiliale des Händlers herunterbrechen. Aus diesem Grund greifen immer mehr Handelsunternehmen auf Services von spezialisierten Anbietern zurück: „Das Ziel ist immer: Wie kann ich meinen Bestellprozess so optimieren, dass ich meine Lagerkapazitäten optimal ausnutze und im Frischesegment so vorausschauend bestelle, dass ich den Verderb minimiere?“, erläutert Spatzierer.
Viele Faktoren bestimmen die Wetterprognose
Dabei ist das Wetter nur eine von mehreren wichtigen Einflussgrößen, die über den Umsatz der Filialen entscheiden. Zum Beispiel wird in einer Supermarktfiliale, die über einen Parkplatz verfügt, ganz anders eingekauft als in der Filiale der gleichen Handelskette in der Fußgängerzone und ohne Parkmöglichkeiten. Wenn es dann noch schneit, fällt die Laufkundschaft aus und der Umsatz sinkt gegen Null. Dabei helfen erfahrene Filialleiter, die ihr Geschäft und die Kundschaft kennen.
Doch auf ein Phänomen wie dieses muss man erst einmal kommen: An bestimmten Tagen stiegen die Abverkäufe von Gebissreinigungs-Tabletten in die Höhe. „Einen solchen Peak kann man belegen, er findet vor dem ersten vorherhergesagten schönen Frühlingstag statt und flaut nach ein paar Wochen wieder ab,“ sagt Spatzierer. „Wir haben herausgefunden: Radfahrer nehmen die Tabs, um ihre Trinkflasche nach dem langen Winter vor der ersten Ausfahrt zu desinfizieren.“
Auch Prognosen über die Saison spielen eine große Rolle im Handel. So zieht ein Pralinenhersteller im Sommer seine Produkte aus dem Handel zurück. Für ihn ist es entscheidend zu wissen, wann die Temperaturen im Herbst so tief sinken, dass er seine Sommerpause beenden kann. Temperaturprognosen führen dazu, dass der Hersteller den dreiwöchigen Auslieferungsprozess inklusive Werbekampagne präziser auslösen kann und damit direkt Umsatz generiert.
Viele tausend Wettereinflussfaktoren und viele verschiedene Datensätze nutzt UBIMET für die Prognose. Dazu gehören die Händlerdaten mit den tages- und filialspezifischen Abverkäufen, Informationen über spezielle Aktionen und die generelle Einkaufsfrequenz am Standort. Hinzu kommen langjährige hochauflösende Wetterdaten, die UBIMET mit Künstlicher Intelligenz mit den Handelsdaten abgleicht. „Durch spezielle Algorithmen können wir den Einkauf und die Lagerhaltung deutlich verbessern“, so Spatzierer. „Die Formeln verringern die Fehlerquoten in den Vorhersagen des Kunden und des Filialumfelds um 10 bis 12 Prozent, weil unsere Meteorologen, die an den Vorhersagemodellen für die Kunden arbeiten, nicht nur programmieraffin sind, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Charakteristika der Kunden- und Wetterdaten aufweisen.“ Und das schlägt sich im Umsatz nieder.
Die Konsumenten sind sensibler geworden
Auch der heiße Sommer 2018 hat sich auf das Bestellverhalten der Händler niedergeschlagen. „Das Thema Klimawandel wird für die Kunden immer wichtiger“, sagt Spatzierer. Und das stellt die strategischen Entscheidungen der Händler vor einige Herausforderungen. So hat die Trockenheit im Sommer dazu geführt, dass Zwiebeln und lagerfähige Kartoffeln aus Österreich nach Deutschland, Frankreich und in die Beneluxstatten exportiert wurden, weil dort die Ernten schlechter waren.
Langfristig führte dies aber dazu, dass im Frühjahr 2019 vor allem Zwiebeln und Kartoffeln aus Neuseeland und Ägypten im Handel verfügbar waren. Deren längere Transportwege aber führten zu höheren Kosten. Und ihre Herkunft steht im Widerspruch zum populären Versprechen des Handels: regionale Produkte statt Weltmarkt. In einer Welt, in der die Wetterkapriolen zunehmen, wird es für den Einzelhändler nicht einfacher.
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Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.