Wer bereits einmal mit dem Auto in den Häuserschluchten der französischen Hauptstadt unterwegs war, weiß es: Paris steht kurz vor einem Verkehrskollaps. Mit dem „Grand Paris Express“ (GPE), einem 35 Mrd. Euro teuren Infrastrukturprojekt, stemmt sich die Stadt an der Seine dagegen. Bis 2030 sollen sechs neue U-Bahnlinien und 68 Stationen entstehen.

Ziele des GPE: Anschluss der Ile-de-France und Aufhebung der Zentralisierung

Durch das teuerste Infrastrukturprojekt Europas sollen insgesamt 200 Kilometer neue U-Bahnstrecke entstehen – 90 Prozent davon im Untergrund. Der Vergleich zum bisherigen Nahverkehrsnetz zeigt das Ausmaß der Pläne: Rechnet man alle bestehenden Gleise von Metro, Straßenbahnen und S-Bahnen zusammen, erhält man etwa 400 Kilometer. GPE vergrößert das Netz also um ganze 50 Prozent.

Die Ausdehnung betrifft insbesondere das Umland der Innenstadt. So soll der Großteil der Strecken für einen besseren Anschluss der Ile-de-France sorgen, die für 30 Prozent der gesamten Wertschöpfung Frankreichs verantwortlich ist.

Daneben verfolgen die Planer insbesondere ein Ziel: Das bisher zentralisierte Netz zu überwinden. Auf vielen Relationen müssen Pendler aktuell zunächst in die Innenstadt fahren, um ein Ziel in einem anderen Randbereich der City zu erreichen. Fahrzeiten von über einer Stunde sind da keine Seltenheit – und das bei teils wenigen Kilometern Luftlinie. Für viele berufstätige Pariser ist dieser Umweg der Grund, ins eigene Auto statt in die U-Bahn zu steigen. Eine Ringbahn mit einer Länge von gut 75 Kilometern – ähnlich der Strecke der S-Bahnlinien 41/42 in Berlin – soll dieses Problem lösen.

Fahrerloser Betrieb – schon jetzt Wirklichkeit

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Eine Besonderheit der neuen U-Bahnlinien des Grand Paris Express findet sich im Betrieb. So sollen die Wagen auf vielen der Strecken nicht länger mit Fahrer, sondern automatisiert über die Gleise rollen. Auf der Linie 14 ist das schon Wirklichkeit. Ganz ähnlich wie beim Platooning kann die Taktung dadurch verringert werden. Maßgeblich dafür ist das Moving Blocks System, das Folgezeiten auf ein Minimum von unter zwei Minuten ermöglicht. Außerdem erlaubt es mit 40 km/h deutlich höhere Geschwindigkeiten als bei den manuellen Pariser U-Bahnen, die etwa 25 km/h auf dem Tacho zeigen.

Das fahrerlose System der Linie 14 war das erste vollautomatische U-Bahnsystem der Welt. Zum Teil diente es als Vorbild für die autonome U-Bahn in Nürnberg. Auch dort kommt das System der Linie 14 zur Hinderniserkennung zum Einsatz, das auf Infrarot basiert. Außerdem übernahmen die Planer in Franken die technischen Bedingungen für den Mischbetrieb von manuell und automatisch gesteuerten Fahrzeugen.

Voraussichtliche Fertigstellung 2030

Bis alle sechs automatisierten U-Bahnlinien des Grand Paris Express ihren Betrieb aufnehmen, dürfte es noch einige Jahre dauern. Zwar laufen die Bauarbeiten bereits seit 2013, doch mit der Fertigstellung ist erst 2030 – also nach insgesamt 17 Jahren zu rechnen. Der zunächst geplante Abschluss der Arbeiten zu den Olympischen Sommerspielen 2024 wurde inzwischen verworfen. Zu ambitioniert sei dieses Ziel gewesen. Allerdings sollen bis zum Großevent schon einige Abschnitte fertiggestellt werden, welche die Zuschauer zu den Sportstätten transportieren sollen. Um dies zu ermöglichen, sollen die Arbeiten an den Tunneln noch in diesem Jahr stark intensiviert werden. Bis zu zehn Tunnelbohrmaschinen werden dann gleichzeitig im Einsatz sein, bisher sind es nur zwei.

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Ambitionierter Plan: Kraftfahrzeuge sollen aus der Stadt verbannt werden

Nach Abschluss der Arbeiten am Grand Paris Express sollen täglich etwa 2 Millionen Menschen von den neuen Metrostrecken profitieren. Um insbesondere Pendler zum Wechsel auf den Nahverkehr zu bewegen, wird das Infrastrukturprojekt von einem ambitionierten politischen Vorstoß begleitet. So will der Pariser Stadtrat ab 2030 Fahrverbote für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in Kraft setzen. Wie dieser Plan bei den streikerprobten französischen Bürgern ankommt wird, muss sich allerdings noch zeigen.

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