E-Mobilität wird die Autoindustrie revolutionieren. Nicht nur, weil neue Hersteller mit neuen Ideen auf den Markt drängen. Sondern auch, weil herkömmliche Geschäftsmodelle wegfallen – oder zumindest stark schrumpfen. Zum Beispiel das Geschäft mit Ersatzteilen. Wie groß der Einfluss von E-Mobilität und Digitalisierung in diesem Bereich ist, erklärt Thomas Mathives, Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung bei Miebach Consulting.

Herr Mathives, als Marktsegmentleiter After Sales, Spare Parts und Maintenance Solutions kennen Sie die Zwänge, in denen die Autobauer und ihre Zulieferer künftig stecken. Wie dramatisch ist die Entwicklung für die Autohersteller?

Das Thema ist für die Autohersteller und ihre Zulieferer existenziell. Die Hersteller stehen heute vor mehreren Problemen gleichzeitig. Der rückläufige Dieselanteil und die Substitution durch Benzin­, Hybrid­ oder rein elektrisch betriebene Fahrzeuge stellen sie und vor allem die Motorenwerke vor immense Herausforderungen – und zwar von der Programmplanung bis zur Einsteuerung der Produktionsaufträge. Hinzu kommt der absehbare Einbruch beim Geschäft mit Ersatzteilen und After Sales Services. Manche Hersteller und Händler machen allein damit bis zu 70 Prozent ihres Gewinns. Wenn diese Gewinne wegfallen, müssen sie ersetzt werden. Das wirkt sich auch auf das Sortiment und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen aus – sprich, es verändert auch die Produktion und die Algorithmen, die dem After Sales zugrunde liegen. Heute handelt es sich noch um eher überschaubare Stückzahlen, künftig wird das Problem aber exponentiell wachsen.

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Wie sieht es bei den Ersatzteilen aus?

Zum einen führt die E-Mobilität zu einer Reduzierung der Ersatzteile. Ein Verbrennungsmotor hat mehr als 1.400 Einzelteile, ein E-Motor nur etwa 210. E-Fahrzeuge sind durch eine andere Konstruktion und geringere Fahrleistungen weniger reparaturanfällig und müssen seltener in die Werkstatt.
Hinzu kommt die Digitalisierung. Sie wirkt sich nicht nur in der physischen Logistik aus, sondern auch dadurch, dass sie die Marktanforderungen der Unternehmen und die Planungsparameter grundlegend verändert. Wir sehen das heute schon bei Car Sharing-Flotten als Reaktion auf eine veränderte Mobilität. Sie sind nicht unbedingt profitabel, sondern eine Art Spielwiese – bei Ersatzteilen beispielsweise könnte die stärkere Überwachung der Flotte dazu führen, dass die Fahrzeuge nicht mehr so oft in die Werkstatt müssen, sondern vor Ort gewartet werden. Denkbar sind Logistikkonzepte für Kofferraum- und Rendezvous-Belieferungen für mobile Wartungs- und Reparatureinsätze. Mehr autonomes Fahren erhöht zudem die Sicherheit – und führt deswegen zu weniger Schäden, was den Bedarf an Ersatzteilen und damit den Umsatz mit diesen Komponenten verringert.

Was bewirkt dieser wachsende Kostendruck? Führt er zu mehr Outsourcing, zum Beispiel in der Logistik?

Selbst die deutschen Autohersteller verfolgen unterschiedliche Philosophien: Die einen wollen die Kontrolle über ihre Supply Chains behalten. Andere Hersteller sagen: Wir bauen Autos, Logistik ist nicht unser Kerngeschäft – und vergeben solche Leistungen.
Diese Entwicklung bietet Logistikern recht gute Chancen, von einem Outsourcing zu profitieren. Weniger Ersatzteile heißt zwar weniger Transporte, allerdings gehe ich nicht davon aus, dass das plötzlich ein Ende findet: Gerade bei Ersatzteilen haben die Autohersteller ja ganz andere Planungszyklen. Je nach Hersteller bevorraten sie Ersatzteile nach dem Ende der Produktion zehn bis 15 Jahre. Manche Hersteller erwarten von ihren Zulieferern sogar eine lebenslange Lieferfähigkeit.

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Was können Logistikdienstleister also tun?

Das ganze After Sales-Geschäft wird sich verändern, denn diese Entwicklungen verlangen nach neuen Ansätzen. Künftig geht es vor allem um Dienstleistungen, die es heute noch nicht gibt. E-Commerce und der direkte Vertrieb von Autoteilen über das Internet verändern die Logistik grundlegend. Transporte finden nicht nur aus und in die Läger der OEMs, sondern auch zu anderen Zielen statt – bis hin zum Endkunden. Die letzte Meile bis in die Innenstädte wird wichtiger. Auch das Recycling von gebrauchten Teilen gewinnt an Bedeutung. Dabei sind die Logistiker ein bisschen die Leidtragenden, weil im derzeitigen Wandel alles neu ist.

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